Dublin. Irland entfernt sich vom Katholizismus. Mit der Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe feiern Homosexuelle einen historischen Sieg.

Erst regnete es am Sonnabend in Irland, dann schien die Sonne: Regenbogen-Wetter. Dass die Fahne mit den bunten Farben in Dublin und vielen anderen Städten allgegenwärtig war, lag aber nicht am Wetter. Das erzkatholische Irland hat mit einem Referendum zur Zulassung der Ehe homosexueller Paare Geschichte geschrieben. Als erstes Land führte die kleine Republik im Nordwesten Europas die Neuerung per Volksentscheid ein. „Eine kleine Revolution“, nannte der homosexuelle Gesundheitsminister Leo Varadkar den Ausgang des Referendums.

Das Endergebnis hat die klare Mehrheit für die Gleichberechtigung von Homosexuellen bestätigt. Für die entsprechende Verfassungsänderung stimmten laut dem am Abend veröffentlichten Ergebnis 62,1 Prozent, dagegen votierten 37,9 Prozent. Die Beteiligung an dem Referendum lag bei 60,5 Prozent.

Das Endergebnis wurde im Schloss von Dublin verkündet. Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe sangen spontan die Nationalhymne, Luftballons in Herzform stiegen zum Himmel auf.

Verlierer des Referendums ist die katholische Kirche. Die Bischöfe haben noch bis zuletzt von den Kanzeln herab traditionelle Familienwerte gepredigt. „Werden wir wirklich die erste Generation in der Menschheitsgeschichte sein, die sagt, dass Mütter und Väter bei der Erziehung von Kindern keine Rolle spielen“, fragte Erzbischof Michael Neary, einer der einflussreichsten Geistlichen in Irland.

Die katholische Kirche hat aber seit Jahren in Irland einen Rechtfertigungskampf zu führen. Spätestens als bekannt wurde, dass Kardinal Erzbischof Sean Brady systematisch Sexualdelikte von Priestern in Kinderheimen verschleiert hat, verlor die Kirche an Glaubwürdigkeit. Als Brady 2010 in einer Predigt - statt um Vergebung zu bitten - die mangelnde Toleranz des Volkes gegenüber sündigen Kirchenvertretern anprangerte - schien der Graben zwischen Kirche und Volk endgültig aufgerissen.

Dass die Regierung des konservativen Premierministers Enda Kenny und dem damaligen Außenminister Eamon Gilmore 2011 ihren Botschafter vom Vatikan zurückzog, war ein erster gewichtiger Schritt. Gilmore war es auch, der in den Folgejahren die Verfassungsänderung zur gleichgeschlechtlichen Ehe massiv vorantrieb. Referenden zur Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare gab es auch schon in Ländern wie Kroatien und der Slowakei - sie scheiterten.

Nur rund 20 Länder weltweit ermöglichen das volle Eherecht für homosexuelle Paare - Deutschland ist noch nicht soweit. Justizminister Heiko Maas (SPD) beklagte jüngst, dies sei in einer Koalition mit der Union „schwer realisierbar“.

Irlands Premier Enda Kenny twitterte am Morgen der Abstimmung ein Bild von seiner Ehefrau und sich selbst und schrieb: „Ich habe mit Ja gestimmt“ - vor Jahren noch undenkbar für einen irischen Premierminister. Vor Wochen bereits hatte er demonstrativ ein Schwulen-Lokal besucht. Spätestens am Nachmittag wurde in Irland groß gefeiert.

Die Republik im Süden der Grünen Insel ist in den vergangenen Jahren einen strikten Weg in die Moderne gegangen. Vor 22 Jahren hob die Republik ein Gesetz auf, das Homosexualität unter Strafe stellte. Ebenfalls seit 1993 müssen Paare, die ein Kondom benutzen wollen, kein Rezept des Arztes mehr beim Kauf vorlegen. Das totale Abtreibungsverbot ist zumindest ein wenig aufgeweicht.

Die Regierung, die sich vehement hinter die Verfassungsänderung gestellt hatte, traf den Nerv des Volkes auf den Punkt. Das Referendum zur gleichgeschlechtlichen Ehe war auch ein Sieg für die direkte Demokratie in Irland. 60.000 Menschen hatten sich eigens für die Abstimmung ins Wählerregister eintragen lassen. Hunderte vor allem junge Leute kamen aus London und sogar aus den USA eingeflogen, um ihre Stimme abzugeben. „Eine ganze Generation ist politisiert worden“, sagte Kommunikationsminister Alex White. (dpa)