Berlin . Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat die Faszination für die Raumfahrt in Deutschland neu geweckt. Die Branche schmiedet ambitionierte Pläne.

Alexander Gerst landet Pointe um Pointe. Wird eine Rakete tatsächlich mit Windows 95 betrieben? Nein, konnte der Astronaut sein Publikum aus Politikern, Raumfahrt-Experten und Interessierten am Mittwochabend beruhigen. Nun, da Gersts Start zur ISS knapp ein Jahr zurückliegt, absolviert er die Mission nach der Mission: Vortrag um Vortrag hält er. Es geht vor allem um den Nutzen, den Otto-Normalbürger davon hat, wenn Menschen in einem „lebendigen Biest“ von Rakete ins All aufbrechen.

Anders als bei Gersts Auftritt am Mittag bei der Internet-Konferenz Re:publica war vor allem sein Outfit: Den blauen Raumfahreranzug hatte der Geophysiker gegen feinen Zwirn getauscht. Das könnte sich gelohnt haben: Von offizieller Seite mehrten sich am Abend die Anzeichen, dass eine zweite Mission Gersts gewollt ist.

„Brauchen eine Nachfolge für die ISS“

„Wir brauchen eine Nachfolge für die ISS im niedrigen Erdorbit.“ Mit dieser Forderung hatte Johann-Dietrich Wörner, der Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), den Abend eingeleitet. Ebenso wenig machte er einen Hehl daraus, dass die Raumfahrt die Unterstützung der Bevölkerung braucht, um in der Politik Fürsprecher für neue Vorhaben zu gewinnen.

Wie und wann Gerst erneut aufbrechen könnte, blieb zwar offen. Denn die Zukunft der ISS steht nach wie vor nicht fest - ihr Betrieb war bis 2020 geplant, von einigen Experten wird inzwischen mit einem Ende 2024 gerechnet. Doch Wörners Daumen und Mundwinkel gingen, etwa bei Nachfragen zu Gersts Zukunft von Hessens Europaministerin Lucia Puttrich (CDU), mehrfach nach oben. Und auch der Direktor für bemannte Raumfahrt der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, Thomas Reiter, sagte, die Chancen stünden bestens. „Forscher brauchen eine Perspektive“, betonte er.

Flug zur ISS? „Einparkmanöver!“

Um diese in der Öffentlichkeit darzustellen, ist ein Forscher wie Alexander Gerst offensichtlich der richtige Mann: Ein Fremdwort kam ihm kaum über die Lippen, vielmehr erzählt er wie vor Freunden. Sein Flug zur ISS etwa: ein „Einparkmanöver“. Interessierte im Publikum löcherten ihn noch lange nach Ende des offiziellen Teils mit Fragen, baten um Autogramme und Fotos.

Ob die Zukunft für Gerst und Kollegen wohl auf dem Mond liegt? DLR-Chef Wörner nannte das Szenario, auf dessen Rückseite eine permanente Station zu errichten, mit dort vorhandenem Material und einem 3D-Drucker. Scherz, kühne Vision oder tatsächliche Absicht? Forscher müssten in jegliche Richtung denken dürfen, meinte Wörner. Thomas Reiter jedenfalls zeigte sich der Mond-Idee gegenüber aufgeschlossen. Das seien Linien, die verfolgt würden.

Internationale Partner benötigt

Für weitere Pläne brauche es möglichst mehr internationale Partner, betonte Wörner. Dazu zählten auch Russland und China, trotz der politischen Lage. „Wir müssen uns überlegen, wie es weitergeht. Ein Nachfolgeprojekt muss auf den Weg gebracht werden. Die Ideen freuen mich“, sagte auch Gerst. Er betonte, bisherige Vorhaben bewegten sich relativ nah an der Erde. Weiter vorzudringen ins All sei angesichts dessen „unvermeidbar“. Und er ergänzte immer wieder, wie ein Mantra: „Der Mensch war schon immer ein Entdecker.“

Zum Ende der Woche geht es für Gerst weiter mit Vorträgen, bei Grundschülern in Bremen etwa. Am Wochenende soll er Ehrenbürger seiner Heimatstadt Künzelsau werden. Und in wenigen Wochen könnte ein Grimme Online Award für seine Kommunikation auf Twitter, Facebook und Co hinzukommen. Bei DLR und Esa dürfte die Freude groß sein. (dpa)