Kathmandu . Schweres Erdbeben mit vielen Toten im Himalaya: Die heftigen Erdstöße haben auch in Indien, China, Pakistan und Bangladesch Menschenleben gefordert.

Kathmandu. Ein gewaltiges Erdbeben im Himalaya hat Hunderte Menschen das Leben gekostet. Die Zahl der Todesopfer steigt immer weiter an. Bei dem schweren Erdbeben sind allein in Nepal nach Regierungsangaben mehr als 2400 Menschen ums Leben gekommen. Das sagte Informationsminister Minendra Rijal am Sonnabend vor Journalisten. Die endgültige Zahl der Toten könne noch viel höher liegen.

Gebäude und Jahrhunderte Jahre alte Tempel stürzen zusammen. Auch die Nachbarländer sind betroffen. Das stärkste Erdbeben in Nepal seit 81 Jahren hat mindestens 876 Menschen in den Tod gerissen und vor allem in der Hauptstadt Kathmandu schwere Schäden verursacht. Dazu kamen mindestens 34 Tote in Indien, sechs in der chinesischen Region Tibet und zwei in Bangladesch. Das Beben ließ zahlreiche Gebäude und historische Tempel zusammenstürzen. Das Heimatministerium in Nepal teilte mit, es sei fast sicher, dass weiter Tote gefunden werden.

Das Beben kurz vor Mittag (Ortszeit) erreichte die Stärke von 7,8, wie die US-Erdbebenwarte USGS mitteilte. Das Epizentrum lag 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu in einer Tiefe von elf Kilometern, wie Nepals Informationsminister Minendra Rijal dem indischen Sender NDTV sagte. Eine Stunde nach dem ersten Beben gab es ein Nachbeben mit der Stärke 6,6. Es folgten weitere Nachbeben. Die Auswirkungen waren auch in Lahore in Pakistan zu spüren.

Ministerpräsident Sushil Koirala brach seine Teilnahme an einem Gipfeltreffen in Indonesien ab. Auf der Rückreise kam er jedoch nur bis Bangkok, weil der Flughafen von Kathmandu geschlossen war.

Kathmandu stark getroffen

Am schwersten betroffen war die 700.000 Einwohner zählende nepalesische Hauptstadt Kathmandu. Das Epizentrum des Bebens lag laut GFZ nur etwa 80 Kilometer entfernt, in etwa 18 Kilometern Tiefe. Überall in der Stadt stürmten die Menschen auf die Straßen. Das Tal von Kathmandu ist dicht besiedelt, fast 2,5 Millionen Menschen leben hier. Viele Häuser sind von schlechter Qualität. In der Hauptstadt leben rund 700.000 Menschen.

Viele Menschen rannten in Panik aus ihren Häusern. In Straßen und Hauswänden klafften riesige Spalten. Prachanda Sual, ein Einwohner von Kathmandu, sagte, im Zentrum der Hauptstadt seien einige Gebäude eingestürzt, darunter auch Jahrhunderte alte Tempel. Die Sirenen von Krankenwagen seien zu hören.

Nach Augenzeugenberichten trauten sie sich stundenlang nicht in ihre Häuser zurück, weil Nachbeben den ganzen Nachmittag über die Erde weiter erzittern ließen. Vor allem alte Gebäude, Gemäuer und historische Tempel stürzten ein. Der Verkehr kam zum Erliegen, weil die Straßen aufrissen.

"Wir fürchten, dass noch viele Menschen unter alten Häusern und Gebäuden begraben sind", sagte Nepals Innenministeriumssprecher Laxmi Dhakal. Wegen des Erdbebens löste sich eine Lawine am Mount Everest und verschüttete mehrere Bergsteiger. Zunächst sei unklar gewesen, wie viele Kletterer betroffen waren, sagte Tempa Tsheri Sherpa von der Organisation Dreamers Destination.

Tote in Indien und China

Indische Behörden sprachen von mehr als 30 Toten auf indischer Seite, auch in China kostet das Beben Menschenleben. In Bangladesch kam eine Frau ums Leben. 25 Textilarbeiterinnen wurden nach offiziellen Angaben außerdem verletzt, als sie aus ihrer Fabrik in Savar vor den Toren der Hauptstadt Dhaka flüchteten. Aus Pakistan wurden zunächst keine Toten gemeldet.

Nepals einziger internationaler Flughafen, der wegen der Nachbeben zwischenzeitlich geschlossen war, wurde am Nachmittag teilweise wieder geöffnet. Indiens Luftwaffe schicke ein Flugzeug mit Nahrungsmitteln, Wasser, Rettungsausrüstung, Spürhunden, Ärzten und Krankenpflegern, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Neu Delhi.

Hilfszusagen auch aus Deutschland

Auch aus Deutschland kamen erste Hilfszusagen: Man werde sofort ein medizinisches Einsatzteam auf den Weg bringen, teilte die Hilfsorganisation aus Kaufbeuren am Samstag mit. "Unsere Erfahrung zeigt, dass es bei Beben dieser gewaltigen Stärke sofort zu handeln gilt", sagte der Leiter der Not- und Katastrophehilfe, Raphael Marcus, laut Mitteilung. Weil viele Menschen in sehr instabilen Häusern lebten, könne das Erdbeben für die Region weiterhin schlimme Folgen haben.

"Wir haben uns schon so lange vor dem großen Beben gefürchtet", sagte Liz Satow, Nepal-Büroleiterin der Hilfsorganisation World Vision. Nun sei es eingetreten. Die Betroffene Pooja Lama sagte nach einem Telefonat in ihren nepalesischen Heimatort Ranipauwa, ihr Haus sei komplett zerstört. "Aber immerhin sind wir am Leben."

Bei dem schweren Erdbeben ist auch die deutsche Botschaft in Kathmandu beschädigt worden. Nach Angaben des Auswärtiges Amtes ist die Vertretung derzeit nur beschränkt einsatzfähig. Gebäude und Infrastruktur in der Hauptstadt seien schwer beschädigt worden, heißt es in den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes.

Die Bundesregierung rät Touristen von Touren in die Erdbebengebiete zunächst ab. "Reisenden in Nepal wird geraten, einsturzgefährdete Gebäude zu meiden und Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter sowie ihren Angehörigen aufzunehmen", heißt es in den Hinweisen.

Auch Unesco-Weltkulturerbe betroffen

Unter den eingestürzten Gebäuden waren auch der Dharahara-Turm in der Altstadt von Kathmandu, der um 1800 gebaut wurde und zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Von dem Turm blieb nur Schutt übrig, in dem Berichten zufolge Menschen gefangen sein sollen. Die Altstadt von Kathmandu besteht aus einem Gewirr von Gassen, viele Häuser sind von schlechter Bauqualität. Auf einem Parkplatz eines Krankenhauses in Kathmandu versammelten sich Dutzende Menschen. Für die Patienten waren Matratzen ausgelegt worden. Der Wetterdienst sagte für die Nacht Regenfälle und Gewitter voraus.

Lawine am Mount Everest

Betroffen von dem Erdbeben waren auch Kletterer am Mount Everest. Durch das Erdbeben wurde am höchsten Berg der Erde eine Lawine ausgelöst. Acht Menschen wurden tot geborgen, 30 waren verletzt. Das Ministerium für Bergsteigen teilte mit, dass eine noch unbekannte Zahl an Menschen vermisst werde. Vor einem Jahr, am 18. April 2014, waren beim verheerendsten Lawinenunglück am Mount Everest 16 Sherpas ums Leben gekommen.

Das bislang schlimmste Erdbeben erlebte Nepal 1934. Damals wurde eine Stärke von 8,0 gemessen. Die Städte Kathmandu, Bhaktapur und Patan wurden stark zerstört