Offenbach. Orkan wütet über Deutschland – vier Tote durch das Unwetter. Züge und Flüge ausgefallen. Ostern fällt ins Wasser

Orkan „Niklas“ hat sich zu einem der stärksten Stürme der vergangenen Jahre entwickelt und den Verkehr in weiten Teilen Deutschlands lahmgelegt. In Nordrhein-Westfalen stoppte die Deutsche Bahn am Dienstagvormittag den Nahverkehr komplett, im Fernverkehr fuhren nur einzelne Züge. In Bayern wurde der Fernverkehr am Nachmittag eingestellt, die Haupthalle des Münchner Hauptbahnhofs wegen Orkanschäden geräumt. Insgesamt waren Zehntausende Reisende und Pendler betroffen.

Traurige Bilanz bis gestern Abend waren vier Todesopfer. In Rheinland-Pfalz erschlug ein umgestürzter Baum zwei Menschen. Wie die Polizei mitteilte, fiel der Baum bei Montabaur im Westerwald auf ein Dienstfahrzeug der Straßenmeisterei. In Sachsen-Anhalt starb nach Behördenangaben ein Mann, als ihn eine umstürzende Betonmauer begrub. Im österreichischen Mauthausen starb ein Mann, der während des Sturms seine Terrassenüberdachung sichern wollte. „Es dürfte einer der schwersten Stürme der vergangenen Jahre sein“, sagte Peter Hartmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Es sei damit zu rechnen, dass „Niklas“ das Orkantief „Xaver“ vom Dezember 2013 übertreffe.

Vom Orkan waren auch die Hochgeschwindigkeitstrassen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern betroffen. Die Geschwindigkeit von ICE- oder IC-Zügen drosselte das Unternehmen vorsichtshalber auf Tempo 140. In Nordrhein-Westfalen stoppte die Bahn wegen zahlreicher Schäden nach dem Orkan „Niklas“ gegen 11 Uhr ihren kompletten Nahverkehr. Regionalzüge und S-Bahnen fuhren die nächsten Bahnhöfe an und blieben dort stehen. Privatbahnen fuhren dagegen auf einzelnen Strecken weiter.

In Bayern stellte die Deutsche Bahn den Fernverkehr wegen des Sturmtiefs komplett ein. Zudem kam es im Regionalverkehr zu starken Einschränkungen. In der Nähe von Osnabrück stürzten am Dienstag mehrere Bäume auf einen Zug und stoppten den Intercity. Der Zug war mit etwa 350 Menschen besetzt. Verletzt wurde nach Angaben der Bundespolizei niemand. Auch in anderen Bundesländern gab es Behinderungen im Bahnverkehr.

Bei Hagen in Nordrhein-Westfalen riss der Sturm ein Baugerüst von der Lennetalbrücke (A 45) ab. Zwei Arbeiter, die in 20 Metern Höhe mit Schweißarbeiten beschäftigt waren, fielen in die Tiefe und verletzten sich schwer. Im Bahnhofsviertel von Frankfurt stürzte ein 15 Meter hohes Baugerüst auf vier geparkte Autos. Vielerorts beschädigte der Orkan Häuser, der Wind riss Stromleitungen herunter.

Polizei und Feuerwehr waren im Dauereinsatz, um umgestürzte Bäume von Autobahnen und Bundesstraßen zu räumen. Auch in Rheinland-Pfalz und im Saarland knickte „Niklas“ Bäume und Strommasten um. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd sagte: „Kaum ist der eine Baum aufgeräumt, stürzt der nächste um.“ Dramatisch sah es zeitweise auf der Autobahnbrücke der A 29 bei Oldenburg in Niedersachsen aus. Es bestand die Gefahr, dass ein umgewehter Anhänger von einer 26 Meter hohen Brücke in die Hunte stürzt.

Probleme meldete Deutschlands größter Flughafen in Frankfurt. Bereits seit dem Morgen kam es zu Verspätungen, am Nachmittag sprach der Betreiber Fraport von 55 ausgefallenen Starts und Landungen. Am Flughafen Düsseldorf entschlossen sich einige Piloten angesichts der Windböen, durchzustarten und für die Landung neu anzufliegen. Dies und das Umfliegen von Schlechtwetterzonen führte zu einigen Verspätungen, aber Flugausfälle habe es nicht gegeben, sagte ein Sprecher. Die S-Bahn-Linie zum Airport in München wurde eingestellt, am Flughafen gab es Verspätungen. Der Amsterdamer Flughafen Schiphol annullierte Dutzende Flüge, Passagiere mussten sich auf lange Wartezeiten einstellen.

Auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze (2962 Meter), tobte Orkan „Niklas“ am Dienstag besonders kräftig: Am Mittag wurde auf dem Gipfel oberhalb von Garmisch-Partenkirchen eine Böe mit der Geschwindigkeit von 192 Stundenkilometern registriert. Angesichts des Orkans wurde der Berg für die Öffentlichkeit gesperrt. Der bisherige Höchstwert des Tages in Nordrhein-Westfalen wurde auf dem Kahlen Asten gemessen mit knapp 116 Stundenkilometern. Nach Auskunft des DWD ist dies „eine gute Windstärke 11“. Für den Brocken gab der DWD eine Warnung vor extremen Orkanböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern pro Stunde heraus.

Angesichts der aktuellen Lage wird das Osterfest ungemütlich nasskalt, aber zumindest ist der Sturm dann wohl kein Thema mehr. Nach dem Abzug von Orkantief „Niklas“ erreicht Polarluft aus dem Norden Deutschland. Also Ostereiersuchen im Schnee? So weit würde DWD-Meteorologe Lars Kirchhübel in Offenbach nicht gehen. Allerdings werde das Wetter am Sonntag und Montag bei 2 bis höchstens 13 Grad und häufigen Schauern nicht gerade nach draußen locken, sagte Kirchhübel. Aber tagsüber sei es zu mild für Schnee. Wenn „Niklas“ sich im Laufe des heutigen Tages ins Baltikum davongemacht hat, bleibt es stürmisch, aber es geht nicht mehr so heftig zur Sache. „Tag für Tag wird es weniger“, sagte Kirchhübel. Allerdings bleibt es turbulent mit vielen Schauern und Blitz und Donner.