Berlin. Seltenes Reptil verhindert Bergung des vergrabenen Denkmals für eine Ausstellung

Manche Tierarten haben es ja geschafft, durch ihre schiere Anwesenheit große Zukunftsprojekte der Infrastruktur infrage zu stellen. Die Trappe etwa, oder auch die Hufeisennase. Die Zauneidechse aber, in ihrer Art gefährdet, schickt sich nun an, die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit zu behindern.

Irgendwo im Stadtforst des Berliner Bezirks Köpenick, in der Nähe des Müggelsees, ist ein gewaltiger Kopf im märkischen Sand verbuddelt. Aus Granit, 1,70 Meter hoch. Er gehörte zum einstigen Lenindenkmal, das bis 1990 den Leninplatz im Bezirk Friedrichshain beherrschte, von dem man aber damals, nach dem Ende der DDR, sehr schnell nichts mehr wissen wollte. Lenin wurde zerlegt, in rund 110 Teilen nach Köpenick verbracht, dort kurzentschlossen mitten im Wald vergraben und der Leninplatz in Friedrichshain in Platz der Vereinten Nationen umbenannt.

Allein der Kopf blieb als Ganzes erhalten. Vor zwölf Jahren gelangte er einmal zu großer Popularität, im preisgekrönten Kinofilm „Good Bye, Lenin!“, in dem er (als Nachbildung) vor den Augen einer schwer irritierten früheren DDR-Bürgerin, die nicht mit bekommen hatte, dass ihr Staat abgewickelt war, an einem Kran durch die Stadt schwebte. Viel gelacht hat man damals. Noch amüsierter wäre man wohl gewesen, hätte jemand behauptet, dass der viele Tonnen schwere Trumm in unseren Tagen wieder ausgebuddelt und anschließend tatsächlich über Berlins Straßen gewuchtet werden soll. Eigentlich wäre es jetzt so weit, wenn nur die Zauneidechse nicht über Lenins kahlem Schädel tanzen würde.

„Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ – unter diesem Titel will die Kulturamtsleiterin von Berlin-Spandau in der dortigen Zitadelle aus dem 16. Jahrhundert eine große Ausstellung präsentieren. Gezeigt werden sollen monumentale Skulpturen, Büsten, Standbilder. Ihnen gemein ist, dass sie aus dem Stadtbild verschwanden. Darunter eben auch Lenin.

„Das war ein hartes Stück Arbeit“, sagt Amtsleiterin Andrea Theissen. Zunächst galt es, den Granitblock überhaupt erst einmal zu orten. „Dokumente über den genauen Ort waren nicht mehr greifbar“, sagt Theissen, die Denkmalteile hatte man ja eigens in einer Art Nacht-und-Nebel-Aktion verschwinden lassen, offenbar um zu verhindern, dass Freunde der Sowjetunion sich ihr persönliches Steinchen aus Lenins Glatze meißeln und damit Kult in ihrer Schrankwand betreiben.

Zeitzeugen konnten die Ausstellungsleitung dann aber zum Grabungsort führen, der Kopf wurde geortet. Wo genau er liegt, wurde der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt. Nur so viel: Genau dort wohnt die Zauneidechse. Das Reptil ist nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht, es ist auf der Roten Liste Deutschlands lediglich auf der „Vorwarnliste“, aufgeführt. Doch das reichte für die Grünen, die Ausgrabungen infrage zu stellen. Auch der Senat stellte sich quer, machte Eigentumsrechte am Kopf geltend und weigerte sich, ihn für die Ausstellung freizugeben.

Inzwischen sind die grundsätzlichen Bedenken ausgeräumt, nach vielen Beratungen und Sitzungen und Anhörungen. Das Bezirksparlament in Köpenick machte auf Antrag der Grünen in einem Beschluss allerdings zur Bedingung, dass die Freilegung des Lenin-Kopfes per Hand erfolgt, und dass alles nicht vor Oktober beginnt. Bis dahin sollen die Echsen „vergrämt“ werden. Artenschutzexperten werden also auf Kosten des Bezirks Spandau einen Korridor einrichten, der von der künftigen Grabungsstelle zu einem geeigneten Ausweichquartier führt. Anschließend werden sie beginnen, Unterschlüpfe für die Eidechsen einzuebnen, um sie zum freiwilligen Abzug zu bewegen. Nur in Einzelfällen wird man durch Fang nachhelfen.