Seyne/Hamburg. Bei einem Flugzeugabsturz eines Airbus 320 in den französischen Alpen sind 150 Menschen gestorben. Einsatzkräfte beginnen Arbeiten am frühen Mittwochmorgen.

Es ist eine der schlimmsten Katastrophen der deutschen Luftfahrtgeschichte: Bei dem Absturz einer Germanwings-Maschine in Frankreich sind am Dienstag wahrscheinlich alle 150 Insassen ums Leben gekommen. Unter den Opfern sind nach Angaben der Fluglinie vermutlich 67 Deutsche. Der Airbus A320 verunglückte auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Der Germanwings-Mutterkonzern Lufthansa geht von einem Unfall aus. Über Nacht sind die Bergungsarbeiten eingestellt worden.

An Bord der Maschine seien 144 Passagiere gewesen, darunter zwei Babys, sowie sechs Besatzungsmitglieder, sagte Germanwings-Chef Thomas Winkelmann am Flughafen Köln/Bonn. Die französische Regierung schloss aus, dass jemand den Absturz überlebte.

In dem Airbus saß auch eine Schülergruppe aus der Stadt Haltern in Nordrhein-Westfalen. Den spanischen Behörden zufolge hatten 45 Passagiere spanische Familiennamen. Nach belgischen Angaben kam außerdem mindestens ein Belgier ums Leben.

150 Menschen sterben bei Airbus-Absturz

Auch am Mittwochabend gedachten an der Schule der verunglückten Jugendlichen in Haltern zahlreiche Menschen der Opfer
Auch am Mittwochabend gedachten an der Schule der verunglückten Jugendlichen in Haltern zahlreiche Menschen der Opfer © dpa | Rolf Vennenbernd
Mit Anbruch der Nacht mussten die Einsatzkräfte die Suche erneut einstellen
Mit Anbruch der Nacht mussten die Einsatzkräfte die Suche erneut einstellen © Peter Macdiarmid
Einsatzkräfte bahnen sich den Weg durch das unwegsame Gebirge
Einsatzkräfte bahnen sich den Weg durch das unwegsame Gebirge © dpa | Guillaume Horcajuelo
Einsatzkräfte bahnen sich den Weg durch das unwegsame Gebirge
Einsatzkräfte bahnen sich den Weg durch das unwegsame Gebirge © AP | Laurent Cipriani
Die deutsche, die französische und die spanische Flagge an der Unglücksstelle
Die deutsche, die französische und die spanische Flagge an der Unglücksstelle © AFP | ANNE-CHRISTINE POUJOULAT
Der französische Präsident Francois Hollande (3.v.l-r), die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy kamen am Mittwochnachmittag am Unglücksort an
Der französische Präsident Francois Hollande (3.v.l-r), die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy kamen am Mittwochnachmittag am Unglücksort an © dpa | Daniel Karmann
Rajoy, Hollande und Merkel nahe der Unglücksstelle
Rajoy, Hollande und Merkel nahe der Unglücksstelle © AP | Christophe Ena
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Unter den Todesopfern sind auch Opernsänger aus Düsseldorf. Der Bassbariton Oleg Bryjak und die Altistin Maria Radner befanden sich unter den Passagieren des Airbus A320, wie die Oper in Barcelona am Abend mitteilte. Die in Düsseldorf geborene Sängerin wurde demnach von ihrem Mann und ihrem Baby begleitet.

Bergungsarbeiten beginnen Mittwochfrüh

Die Unglücksursache blieb zunächst unklar. Frankreichs Premierminister Manuel Valls sagte im französischen Parlament: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann keine Hypothese ausgeschlossen werden.“ Lufthansa-Topmanagerin Heike Birlenbach erklärte, derzeit werde davon ausgegangen, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. Alles andere wäre „Spekulation“.

Schon in aller Frühe am Mittwochmorgen wollen die Einsatzkräfte ihre Arbeit an der Absturzstelle des Airbus A320 in Südfrankreich wieder aufnehmen. Zwischen 5.30 und 6 Uhr sollten dreißig Mitglieder einer Gebirgsstaffel der Polizei mit dem Hubschrauber abgesetzt werden, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Vertreter der Gendarmerie.

„Sie werden den Bereich absichern, damit die Ermittler und Experten arbeiten können“, erklärte Jean-Marc Ménichini. 65 Beamte seien seit dem Abend unterwegs, um einen Fußweg zu suchen. „Sie werden vor Ort ihr Lager aufschlagen“, sagte er. Fünf Gendarme sollten das Gebiet auch über Nacht sichern. Bis die gesamte ausgedehnte Absturzstelle durchkämmt sei, werde es „mindestens eine Woche“ dauern.

Nach Angaben des Chef-Mediziners der Region Alpes-de-Haute-Provence, Frédéric Petitjean, hat das Absturzgebiet eine Größe von fast vier Hektar, mit Höhenunterschieden von 150 bis 200 Metern auf einer Länge von 500 bis 600 Metern, wie AFP berichtete. „Das ist ein besonders schwer zugängliches Gebiet, sehr uneben“, sagte Petitjean. Es gebe ausgewaschene Sandböden und instabile Stellen sowie Steigungen von 60 bis 70 Prozent. „Das Personal ist dort ganz klar in Gefahr.“

Sinkflug noch unerklärbar

Der Airbus A320 war am Vormittag rund eine Stunde nach dem Start in Barcelona in den französischen Alpen abgestürzt. Die Maschine habe ihre Reiseflughöhe gegen 10.45 Uhr erreicht, eine Minute später aber wieder verlassen, sagte Germanwings-Chef Winkelmann. Der Airbus sei aus unbekannten Gründen in einen Sinkflug gegangen, der acht Minuten gedauert habe. Dann sei der Kontakt zur französischen Flugsicherung abgebrochen und die Maschine abgestürzt.

Kurz vor dem Absturz des Germanwings-Airbus in Frankreich konnte die Flugüberwachung nach Behördenangaben keinen Funkkontakt mehr zur Unglücksmaschine herstellen. Mitarbeiter hätten vergeblich versucht, die Besatzung zu kontaktieren, sagte der Staatsanwalt von Marseille, Brice Robin, dem Fernsehsender BFM TV, wie die Nachrichtenagentur AFP am Dienstagabend berichtete.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung aufgenommen. Die Ermittler wollten derzeit acht Zeugen vernehmen, sagte Robin. Die Black-Box solle am Mittwochmorgen untersucht werden. Unklar blieb zunächst, ob der Flight Data Recorder (FDR) oder der Cockpit Voice Recorder (CVR) geborgen wurde. Während das erste Gerät technische Daten zum Flug aufzeichnet, registriert das zweite Gespräche und andere Geräusche in der Pilotenkabine.

„Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass dieser schnelle Höhenverlust des Flugzeugs für den Augenblick unerklärt bleibt“, sagte Robin. Zu möglichen Ursachen des Absturzes wollte er sich nicht äußern. Am Mittwochmorgen sollten zehn Gerichtsmediziner und drei Anthropologen zum Unfallort gebracht werden. Sie sollten dort DNA-Proben entnehmen, um bei der Identifizierung der Opfer zu helfen.

Merkel sprach von „erschütternden Nachrichten“

Die Trümmer der Maschine wurden in der Region zwischen Digne und Barcelonnette in den südlichen Alpen entdeckt. Nach Angaben der Rettungskräfte vor Ort zerschellte das Flugzeug auf 1500 Metern Höhe unter dem Massiv von Estrop im Tal von Blanche. Am Abend teilte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve mit, dass ein Flugschreiber gefunden worden sei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von „erschütternden Nachrichten“. Den Betroffenen sicherte sie „Hilfe und Beistand“ der Bundesregierung zu. Sie will am Mittwoch mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) an den Absturzort reisen; dort werden auch der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy und Frankreichs Präsident François Hollande erwartet.

Bereits am Dienstagabend traf Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an der Absturzstelle ein. „Vor Ort zeigt sich ein Bild des Grauens“, sagte Steinmeier, der zusammen mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach Frankreich gereist war. „Wir sind alle in großer Trauer vereint.“ Dobrindt lobte in den ARD-“Tagesthemen“ die Zusammenarbeit der Behörden.

Bundespräsident Joachim Gauck reagierte ebenfalls mit Bestürzung auf das Unglück und brach seine Südamerika-Reise ab. Vor der Germanwings-Zentrale in Köln versammelten sich am Abend etwa 60 Mitarbeiter der Fluggesellschaft, die der Opfer des Absturzes gedachten.

Lufthansa-Chef rechnet mit schnellen Ergebnissen

Die Reparatur des abgestürzten Airbus A320 am Tag vor der Katastrophe hat nach Überzeugung von Lufthansa-Chef Carsten Spohr nichts mit dem Absturz zu tun. Spohr schloss nach seiner Rückkehr vom Unglücksort nach Frankfurt am Dienstagabend aus, dass die Wartung der Germanwings-Maschine am Montag in Düsseldorf etwas mit der Absturzursache zu tun haben könnte. Dabei sei es nur um die Geräuschbelastung gegangen, nichts sicherheitsrelevantes.

Eine Lufthansa-Sprecherin hatte zuvor erklärt, ein Problem an der Klappe für das Bugrad sei am Montag routinemäßig behoben worden. „Das Flugzeug war in hervorragendem technischen Zustand“, versicherte der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende. Über die Piloten der Unglücksmaschine sagte er: „Wir hatten die Kompetenz im Cockpit, für die unser Unternehmen steht.“ Die Germanwings-Piloten würden auch bei Lufthansa ausgebildet und der Pilot habe mehr als 6000 Flugstunden gehabt, darunter den größten Teil im Airbus A320.

Spohr rechnet mit raschen Erkenntnissen über die Ursache des Absturzes in den französischen Alpen. in den ARD-„Tagesthemen“ sagte der Lufthansa-Chef, er sei sehr froh, dass der erste Flugschreiber schon gefunden wurde. „Ich gehe davon aus, dass wir sicherlich relativ schnell erste Informationen bekommen werden, was die Absturzursache wahrscheinlich war. Die detaillierte Auswertung wird dann länger dauern“, erklärte Spohr.

Der Lufthansa-Chef sprach vom „schwärzesten Tag in der 60-jährigen Geschichte unseres Unternehmens“. Dieses habe erstmals ein Flugzeug im Reiseflug verloren. Für Aussagen über die mögliche Absturzursache sei es zu früh. „Wir wollen und werden uns nicht an Spekulationen beteiligen.“

Spohr zeigte Verständnis dafür, dass einzelne Crews sich nicht in der Lage sähen, am Mittwoch zu fliegen. Deshalb würden Flüge ausfallen. „Wir werden so schnell es geht wieder zu einem vollständigen Flugbetrieb zurückkehren. Das ist für mich aber jetzt erst einmal zweitrangig“, sagte der Lufthansa-Chef.

Flug für Angehörige

Die örtlichen Behörden stellen sich unterdessen auf die Ankunft der Angehörigen ein. In der Sporthalle des Alpenortes Digne sollten 800 Betten aufgebaut werden, berichtete die Zeitung „La Provence“ am Dienstagabend in ihrer Online-Ausgabe.

Germanwings plane einen Flug nach Südfrankreich, um den Angehörigen einen Besuches in der Nähe der Unfallstelle zu ermöglichen, sagte Airline-Geschäftsführer Thomas Winkelmann im „heute journal“ des ZDF.

Auch ein Kongresszentrum sollte laut „La Provence“ geöffnet werden. Dreißig Mitglieder des französischen Roten Kreuzes seien mobilisiert worden. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete, es kämen auch Hunderte Polizisten und Feuerwehrleute zum Einsatz.

Bereits für den Abend wurden die ersten Angehörigen am Flughafen in Marignane bei Marseille erwartet. Von dort sollten sie „La Provence“ zufolge von Polizisten nach Digne geleitet werden.

Experten von Germanwings, Lufthansa und Airbus vor Ort

Nach dem Absturz der Maschine fielen mehrere Flüge der Lufthansa-Tochter in Deutschland aus. „Einzelne Crews haben sich aus persönlichen Gründen nicht in der Lage gesehen, ihren Dienst anzutreten“, sagte eine Lufthansa-Sprecherin. Sie dementierte Berichte, wonach Besatzungsmitglieder ihren Dienst nicht antraten, weil am Montag technische Probleme am Airbus festgestellt worden waren. Es habe sich um eine „reine Routinereparatur gehandelt“.

Die Ermittler der französischen Polizei nehmen am Mittwochmorgen ihre Arbeit am Unfallort auf, wie die Regierung in Paris ankündigte. Auch Experten von Germanwings, Lufthansa und Airbus machten sich auf den Weg zur Absturzstelle. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig entsandte ebenfalls Experten zum Unglücksort. Bis zur endgültigen Klärung der Absturzursache könnten aber „viele, viele Monate, wenn nicht sogar Jahre“ vergehen, sagte ein Behördensprecher.

( afp/dpa)