Hamburg. Kurz vor seinem 84. Geburtstag ist der US-Schauspieler und Regisseur Leonard Nimoy (“Star Trek“) in Los Angeles gestorben.

79 Folgen, drei Jahre nur. Danach wurde die Reise der „USS Enterprise“ durch den Weltraum und seine unendlichen Weiten anno 1969 wegen Erfolglosigkeit beim amerikanischen TV-Publikum von NBC ins Aus gebeamt. Die Fünfjahresmission zur Entdeckung neuer Welten und neuer Horizonte war gescheitert, so schien es damals.

Der Ruhm in der popkulturellen Ewigkeit kam für Leonard Nimoy und den Rest der Raumschiff-Crew erst mit Verspätung, dafür aber so überwältigend groß und andauernd, dass es ihm 1975 auch nichts nützte, seine erste Autobiografie im Original mit dem Titel „I’m not Mister Spock“ zu versehen, um klarzumachen, wer er nicht mehr sein wollte. In der zweiten, zwei Jahrzehnte später, bekannte er sich versöhnt zu seinem Alter Ego aus dem All. „Wie viele Schauspieler können schon von sich behaupten, dass sie über Jahrzehnte hinweg mit einer bestimmten Rolle identifiziert werden?“, fragte er. Das sei eine ganz besondere Ehre. „Zum Glück sind die Witze über meine Ohren weniger geworden.“

Der Halb-Vulkanier mit grünem Blut, in dessen Brust die menschliche Seele mit dem extraterrestrischen Hang zur eiskalten, undiskutierbaren Logik rang, war für Nimoy mehr als die Rolle seines Lebens, obwohl er im Laufe seiner langen Karriere in vielen Filmen und TV-Serien mitwirken sollte. Sie wurde, obwohl er es lange nicht wollte, zu seinem Lebensinhalt, zu seiner Aufgabe. Und für Generationen in aller Welt zum Moral verdeutlichenden Vorbild und ein Paradebeispiel für die Erkenntnis, dass man mit Verstand allein sicherlich weit, aber nicht unbedingt immer zum Ziel kommt.

„Mr. Spock“ ist tot

US-Schauspieler Leonard Nimoy ist tot
US-Schauspieler Leonard Nimoy ist tot © FRED PROUSER
Der als „Mr. Spock“ aus der TV-Serie
Der als „Mr. Spock“ aus der TV-Serie "Star Trek" bekanntgewordene Nimoy ist im Alter von 83 Jahren gestorben © Anonymous
Der Schauspieler soll an einer unheilbaren Lungenkrankheit erkrankt gewesen sein
Der Schauspieler soll an einer unheilbaren Lungenkrankheit erkrankt gewesen sein © Matt Sayles
William Shatner (r) als Captain James T. Kirk, Commander des Raumschiffes Enterprise, und Leonard Nimoy als Crewmitglied Spock vom Planeten Vulkan
William Shatner (r) als Captain James T. Kirk, Commander des Raumschiffes Enterprise, und Leonard Nimoy als Crewmitglied Spock vom Planeten Vulkan
Crew-Mitlgieder des Raumschiff Enterprise
Crew-Mitlgieder des Raumschiff Enterprise © Anonymous
Schauspieler Nimoy im Jahre 1973
Schauspieler Nimoy im Jahre 1973 © Jerry Mosey
Leonard Nimoy im Jahr 2006
Leonard Nimoy im Jahr 2006 © RIC FRANCIS
Die Crew des Raumschiff Enterprise Walter Koenig (l-r), George Takei, Deforest Kelley, Nichelle Nichols, William Shatner, James Doohan und Leonard Nimoy in einer Szene des Films
Die Crew des Raumschiff Enterprise Walter Koenig (l-r), George Takei, Deforest Kelley, Nichelle Nichols, William Shatner, James Doohan und Leonard Nimoy in einer Szene des Films "Star Trek VI" © Paramount
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Der Mythos, den die Kinderstunden-Abenteuer des sehr ungleichen Führungskräfte-Paars James Tiberius Kirk und Spock prägten, entstand erst in den Jahren nach dem TV-Aus für „Star Trek“. In den 1970er-Jahren, dem Jahrzehnt also, in dem die geburtenstärksten Jahrgänge in Deutschland gebannt vor dem Bildschirm in die Pubertät hineinwuchsen und nach Idolen fahndeten, begann auch hierzulande die Faszination für die Abenteuer der „Enterprise“. Sie hält bis heute an, generationenübergreifend.

Nimoys Schauspielerkarriere begann, wie es sich für spätere Stars gehört, eher bescheiden. Er war ein Kind jüdischer Einwanderer aus der Ukraine, ein Friseursohn in Boston und schnupperte als Kind erstmals Bühnenluft. In Boston studierte er auch Schauspiel und arbeitete sich von dort aus mühsam hoch. Es sollte zwei Jahre Durststrecke benötigen, bevor er 1951 in Hollywood seine allererste kleine Rolle ergattern konnte. Danach kam jahrelang wenig Sehenswertes. Nebenrollen, Kleinkram. Und dann kam die „Enterprise“, die ihn in eine ganz andere Umlaufbahn katapultierte.

Die Inspiration für Spocks Markenzeichen, den Vulkanier-Gruß mit den zum V gespreizten Fingern, erhielt Nimoy in jüdischen Gottesdiensten, verriet er später. Gene Roddenberry, der Schöpfer der „Enterprise“, nannte ihn, ohne damit zu übertreiben, „das Gewissen von ,Star Trek‘“.

Die „Star Trek“-Welt – ein philosophisch völlig anders geartetes Science-Fiction-Paralleluniversum zum späteren „Star Wars“-Epos – blieb Leonard Nimoys Schicksal, obwohl er jahrelang gänzlich andere Charaktere spielte, obwohl er Regie führte (die Kino-Komödie „Drei Männer und ein Baby“, 1987), wieder auf die Bühne zurückkehrte (unter anderem in „Fiddler on the Roof“), obwohl er Gedichte schrieb und leidenschaftlich gern fotografierte. Und Platten besang er auch noch, die aber vor allem Liebhaberwert hatten. Sein erstes Album nannte er, einem Überschwang vulkanischen Humors gehorchend, „Leonard Nimoy Presents Mr. Spock’s Music From Outer Space“.

Nimoy tauchte als unverzichtbare Größe in sechs Kinofilmen als Spock auf. Und selbst als Regisseur J.J. Abrams 2009 die furchterregend schwere Aufgabe übernahm, die grau und mürbe gewordene „Enterprise“-Kino-Saga für ein jüngeres Publikum neu und anders zu erzählen, ohne es sich mit den in die Jahre gekommenen Urfans zu verderben, auch da war Nimoy mit großer Selbstverständlichkeit wieder als Wissenschaftsoffizier mit auf der Brücke. Er traf in Abrams’ Enterprise-2.0-Geschichte auf eine jüngere Version seiner selbst, was ihm – wie sollte es anders sein – gerade mal das halbmenschlich staunende Hochziehen einer Augenbraue entlockte. Spock blieb Spock.

An diesem Freitag ist Leonard Nimoy an einer chronischen Lungenerkrankung in seinem Haus in Los Angeles gestorben, drei Jahrzehnte nachdem er das Rauchen aufgegeben hatte und immer wieder davor gewarnt hatte. Wenige werden für ihre Fans ewiger leben als er. „Ruhe in Frieden, Leonard Nimoy. So viele von uns bei der Nasa wurden durch ,Star Trek‘ inspiriert“, schrieb die US-Raumfahrtbehörde auf Twitter. Sein Schauspielkollege William Shatner, Darsteller des „Enterprise“-Kommandanten Kirk, trauerte dort: „Ich habe ihn wie einen Bruder geliebt. Wir werden alle seinen Humor, sein Talent und seine Fähigkeit zu lieben vermissen.“

In seiner letzten Twitter-Nachricht an seine Fans schrieb Leonard Nimoy am 22. Februar: „Das Leben ist wie ein Garten. Man kann perfekte Augenblicke erleben, aber niemals festhalten – außer in der Erinnerung.“ Die Nachricht endete mit den Buchstaben „LLAP“, der Abkürzung der Vulkanier-Grußformel „Live long and prosper“, was so viel bedeutet wie: „Lebe lange und in Frieden.“