Ein ethnischer Tschetschene ist in den Rängen der sunnitischen Terrormiliz Isis rasch aufgestiegen. Der junge Mann ist zum Gesicht der Dschihadisten geworden und womöglich auch ihr Militärkommandeur.

Omar al-Schischani, „Omar, der Tschetschene“, nennen die anderen Dschihadisten den 28-Jährigen mit dem auffälligen roten Bart. Den Kampfnamen legte sich der Mann aus dem Kaukasus zu, als er 2013 an der Spitze einer Rebellengruppe in Syrien auftauchte. Mittlerweile hat er sich dem Islamischen Staat im Irak und Syrien (Isis) angeschlossen und ist zum Gesicht der sunnitischen Terrormiliz geworden.

Im Gegensatz zu Isis-Führer Abu Bakr al-Baghdadi, von dem es kaum Fotos gibt, erschien al-Schischani in jüngster Zeit in mehreren Videos der Dschihadisten. Am Wochenende wurde ein Clip im Internet veröffentlicht, in dem Isis die Auslöschung der Grenze zwischen dem Irak und Syrien verkündete. Wenig später gab die Gruppe die Gründung eines islamischen Kalifats bekannt. „Wir werden das Kalifat zurückbringen, und sollte Allah es nicht zu unserem Schicksal machen, das Kalifat wiederherzustellen, dann bitten wir ihn, uns das Märtyrertum zu gewähren“, sagte al-Schischani in dem Video.

Der in Georgien geborene Tschetschene ist nicht nur das öffentliche Gesicht von Isis, in Syrien ist er schon länger der Militärkommandeur der Dschihadisten. Seit der bisherige Isis-Militärchef Abu Abdul-Rahman al-Bilawi al-Anbari Anfang Juni im irakischen Mossul getötet wurde, hat Schischani möglicherweise sogar die gesamte militärische Führung von Isis übernommen.

Mit Al-Qaida-Führung überworfen

In dem Video vom Wochenende wurde al-Schischani als „der Militärkommandeur“ vorgestellt, ein Hinweis auf eine mögliche Beförderung. Von Isis selbst gab es bisher keine offizielle Stellungnahme. Die Operationen der Gruppe im Irak und in Syrien würden täglich enger koordiniert, sagt Charles Lister vom Brookings Doha Center. Darum sei es gut möglich, dass jemand wie al-Schischani Militärchef der gesamten Organisation werde.

Isis wurde als irakischer Arm von al-Qaida gegründet und viele Kommandeure der Miliz sind Iraker, darunter auch der oberste Chef al-Baghdadi. Doch nach dem Eintritt in den syrischen Bürgerkrieg schlossen sich auch viele ausländische Kämpfer der Gruppe an, die sich schließlich mit der Al-Qaida-Führung überwarf. Mit ihren Landgewinnen auf beiden Seiten der Grenze werden mittlerweile in einem immer größeren Ausmaß Kämpfer, Ausrüstung und Waffen von Syrien in den Irak und umgekehrt geschafft. Die Ausrufung des Kalifats am Sonntagabend könnte bedeuten, dass Isis nun noch internationaler wird, glauben Fachleute.

Tschetschenen gelten als die Härtesten

Ethnische Zugehörigkeit sei bei den Dschihadisten kein sonderlich wichtiger Faktor, sagt Alexej Malaschenko vom Moskauer Büro des Think Tanks Carnegie Endowment for International Peace. Viel entscheidender sei der Einsatz für den Dschihad. Al-Schischani sei ein „Fanatiker des Islam mit Kriegserfahrung und er hat offenbar eine starke Erfolgsbilanz“, sagte Malaschenko. Unter den nach Schätzungen bis zu 10.000 ausländischen Kämpfern in Syrien gelten die Tschetschenen – abgehärtet durch ihren jahrelangen Krieg gegen die Russen im Kaukasus – als besonders effektiv und erbarmungslos.

Al-Schischani wurde als Tarchan Batiraschwili im Pankisi-Tal in Georgien geboren, dem Zentrum der tschetschenischen Gemeinde in dem Kaukasusstaat und einst eine Hochburg der Fundamentalisten. Er absolvierte seinen Militärdienst bei der georgischen Armee, wurde aber wegen einer nicht näher benannten Krankheit entlassen, wie einer seiner früheren Nachbarn der Nachrichtenagentur AP sagte. Die georgische Polizei habe ihn anschließend wegen unerlaubten Waffenbesitzes festgenommen. Nach seiner Freilassung 2010 sei er in die Türkei gereist, sagte der Nachbar. Die georgische Polizei kommentierte den Fall nicht.

„Omar, der Tschetschene“

2013 tauchte Batiraschwili unter seinem Kampfnamen, auf Deutsch „Omar, der Tschetschene“, in Syrien wieder auf. Er führte eine al-Qaida-nahe Gruppe namens „Armee der Emigranten und Partisanen“ an, zu der viele Kämpfer aus Ex-Sowjetrepubliken gehörten. Kurz darauf kam es zu einem Treffen mit al-Baghdadi. Dabei habe ihm al-Schischani Gefolgschaft gelobt, berichtet die gut informierte libanesische Zeitung „al-Achbar“.

Seine Kampffähigkeiten zeigte Schischani im August 2013, als er und seine Kämpfer entscheidend an der Eroberung des Luftwaffenstützpunktes Managh im Norden Syriens beteiligt waren. In den vergangenen zwei Monaten führte al-Schischani eine Kampagne gegen rivalisierende islamistische Rebellengruppen in der ostsyrischen Provinz Deir Asur an, um die Kontrolle über die Grenzregion zum Irak für Isis zu festigen.

Im Mai meldeten einige arabische Medien den Tod al-Schischanis. Isis nahestehenden Kreisen im Irak zufolge erlitt der ethnische Tschetschene aber nur Verletzungen am rechten Arm und wurde im Irak behandelt, bevor er wieder nach Syrien zurückkehrte. Seither ist er mehrfach in Videos aufgetaucht, die authentisch und aktuell sein dürften. So wie die Aufnahmen vom Wochenende. Es dürfte nicht der letzte Auftritt des rotbärtigen 28-Jährigen gewesen sein.