Der erste Todestag von Michael Jackson nähert sich und beweist: Das Geschäft mit dem Toten boomt unverändert. Starkult oder Sommerloch?

Los Angeles/New York. Michael Jackson ist nicht tot. Er ist sogar lebendiger als vor seinem Ableben . Musikalisch gab es bis 2009 nicht viel Neues vom exzentrischen King of Pop. Das letzte Studioalbum lag acht Jahre zurück, Re-Releases und Best-ofs waren die musikalischen "Neuigkeiten". Popularität gab es nur im negativen Sinn: 2003 begannen Untersuchungen, denen 2005 ein zweiter Prozess wegen Kindesmissbrauchs folgte, dazu kamen chronische Finanznöte und Gerüchte um Medikamentenmissbrauch. Aber eigentlich interessierte sich niemand mehr wirklich für ihn. Die Ankündigung einer Abschiedstournee sorgte für kurzes Strohfeuer, ansonsten schien Jackson aus dem kollektiven Bewusstsein fast verschwunden zu sein. Bis zum 25. Juni des vorigen Jahres.

"Michael Jackson ist tot!" Die Nachricht vom Tod des King of Pop verdrängt in der "Tagesschau" vom 26. Juni den ersten Besuch der Kanzlerin bei Präsident Obama, das amerikanische Repräsentantenhaus legt eine Schweigeminute ein. Sondersendungen, -seiten und -ausgaben werden in Windeseile herausgegeben.

Binnen kürzester Zeit stürmen seine Alben erneut die Charts, Fanartikel werden reliquiengleich angepriesen, und auf einmal finden sich überall Menschen, die die einzig wahre Wahrheit über Leben und Ableben des Popstars verbreiten. Es ist das Ende eines vollständig medialisierten Lebens und der Beginn eines wirtschaftlich erfolgreichen Daseins im Fegefeuer von Kommerz und Medien. Knapp ein Jahr ist seit dem Tod des von seinen Fans als "größter Entertainer aller Zeiten" gefeierten Stars vergangen und das Geschäft mit dem (Un-)Toten boomt unverändert. Der "Stern" würdigt Jackson mit einer Titelgeschichte. Ist das noch Starkult oder schon Sommerloch?

Das Bild, das die Filme und Berichte über Jackson zeichnen, hinterlässt einen wenig einheitlichen Eindruck. Zwischen Megastar und Drogenwrack, Peter Pan und Kinderschänder schwanken die Extreme. "Ich habe die Figur Michael Jackson nicht verstanden, das hat mich gereizt", sagt Michael Wech, dessen Porträt des King of Pop heute um 21 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird. "Legenden" heißt die Reihe - dieses Kriterium erfüllt Jackson in jedem Fall. Der unvermeidliche Dieter Wiesner, sein ehemaliger Manager, kommt ebenso zu Wort wie seine erste Freundin. Interessanter als die zum Großteil in ähnlicher Form bekannten Statements ist jedoch, wie der Film versucht, die zersplitterte Figur Michael Jackson zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Die Aussagen von Weggefährten lassen das Bild eines "Man-Child", eines Kindmannes, entstehen, der die Welt um sich herum nicht verstand und sich seine eigene schuf. Die Einbrüche der Realität in dieses Luftschloss aus Blitzlichtgewitter und Vergnügungspark, die Durchsuchung der Neverland Ranch und der anschließende Prozess, haben den psychisch ohnehin nicht gefestigten Menschen weiter destabilisiert.

JACKSON SOLL SICH TÖDLICHE DOSIS SELBST GESPRITZT HABEN

Ob einzig das der Grund für den Absturz Jacksons war, der mit seinem Tod endete, darf bezweifelt werden. Finanzielle Sorgen, ein verschobenes Selbstbild, die Gefahr, in Vergessenheit zu geraten - alle diese und weitere Faktoren werden eine Rolle gespielt haben. Unstrittig ist, dass sich die Finanzprobleme nach seinem Tod gelöst haben. Michael Jackson ist zu einer Figur seines kongenialen "Thriller"-Musikvideos von 1983 geworden: einem Zombie. Denn statt ewiger Ruhe gibt es allenfalls leiseres Klingeln der Kassen.

Auch der Künstler Markus Dömer begegnet dem Ableben des King of Pop und seinem einjährigen Todestag, auf einer ganz anderen, visuellen Ebene. Praktisch als subtile, künstlerische Verlängerung des manchmal fragwürdigen Starkults um Michael Jackson, malte er das Google-Hits-Portrait "Michael Jackson". Sein Prinzip basiert darauf, an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit, den Namen einer Person der Zeitgeschichte zu googeln. Die Suchmaschine zeigt an, wieviel Treffer (hits) es zu diesem Namen gibt: die Googlehits. Die Zahl der Treffer arbeitet er in ein abstraktes Bild ein, dass in freier Assoziation (mit subtilen Hinweisen auf die gegoogelte Person) umgesetzt wird. Die Idee zu dieser Serie basiert auf seiner Feststellung, dass viele Menschen die Berühmtheit einer Person mit einer völligen Selbstverständlichkeit daran festmachen, wie häufig der eingegebene Name von der Suchmaschine Google gefunden wurde. Sozusagen ein abgewandeltes Pendant zu Andy Warhols "fifteen minutes of fame".

Michael Jackson im TV : 21.6., 21 Uhr: "Legenden", ARD ; 24.6., 20.15 Uhr bis 01.10 Uhr: "Michael Jackson Day", ProSieben ; 25.6., 01.05 Uhr: "Michael Jackson 1997 live in München", ZDF ; 25.6., 22.05 Uhr : "Living with Michael Jackson", N 24 ; 25.6., 23.15 Uhr: "100 Prozent Michael Jackson", RTL ; 26.6., 00.35 Uhr: "Michael Jackson - King of Pop", 3sat; 26.6., 12.00-22.30 Uhr: "Thementag Michael Jackson", MTV