Zwölf Menschen starben beim Anschlag auf die Redaktion des „Charlie Hebdo“, Paris ruft die höchste Terrorwarnung aus. Die Täter sollen während der Schüsse „Allah ist groß“ gerufen haben.

Paris. Zehntausende Menschen haben am Mittwochabend in ganz Frankreich bei Trauerkundgebungen der zwölf Opfer des Anschlags auf die Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“ in Paris gedacht.

In der Hauptstadt versammelten sich am Platz der Republik mehr als 5000 Menschen, wie die Polizei mitteilte. In der Menge hielten manche Schilder hoch mit der Aufschrift „Ich bin Charlie“, andere hatten Kerzen mitgebracht.

In Lyon kamen laut Polizei bis zu 15.000 Menschen zusammen, im südfranzösischen Toulouse waren es etwa 10.000. In beiden Städten riefen Menschen „Charlie“, in Toulouse wurden Stifte als Zeichen für die Meinungs- und Pressefreiheit hochgehalten. Im westfranzösischen Nantes versammelten sich etwa 5000 Menschen, darunter Ex-Premierminister Jean-Marc Ayrault.

Vermutlich professionell ausgebildete Täter

Bei dem Anschlag war ein Dutzend Menschen gestorben. Vier von ihnen sind Zeichner des Blattes gewesen, darunter der Chef der Zeitung, Charb. Neben Charb seien die Zeichner Wolinski, Cabu und Tignous getötet worden, sagten Ermittler in Paris. Bei dem 75 Jahre alten Cartoonisten Cabu soll es sich um den Zeichner der Mohammed-Karikaturen handeln, die 2011 den Zorn frommer Muslime auf das Magazin zogen.

Am Mittwoch gegen 11.30 Uhr stürmten maskierte Attentäter die Redaktion und verübten ein Massaker. Nach Angaben des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve gab es drei Täter. Es werde alles getan, um sie außer Gefecht zu setzen, sagte der Minister nach einer Krisensitzung im Élysée-Palast. Zunächst war von zwei Angreifern die Rede gewesen.

Inzwischen geht die Polizei davon aus, dass es sich bei den Tätern um professionell ausgebildete Killer handelt. In Polizeikreisen wird auf die Ruhe, die Entschlossenheit und die Schlagkraft der Täter verwiesen, die ein Zeichen von gründlicher Ausbildung – wie etwa beim Militär – sei. „Man sieht es ganz deutlich an der Art und Weise, wie sie ihre Waffen halten, wie sie völlig ruhig und kalt vorgehen“, sagt ein Polizist. „Sie haben ganz offensichtlich eine Art Militärausbildung durchlaufen.“ Die Attentäter seien „keine Illuminaten, die unüberlegt handelten“.

Zwölf Menschen wurden nach Angaben der Polizei getötet, darunter zwei Polizisten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden rund 20 weitere Personen verletzt, vier oder fünf davon lebensgefährlich. Die Attentäter konnten unerkannt flüchten. Präsident Francois Hollande eilte zum Tatort und sprach von einem Terroranschlag. Die Regierung rief für Paris die höchste Terror-Warnstufe aus.

Hollande: „Wir wussten, dass wir gefährdet sind“

Hollande bezeichnete den Anschlag als eine außergewöhnliche Barbarei und kündigte Härte gegen die Täter an: „Wir werden die Angreifer bestrafen und so lange jagen wie nötig.“ In den vergangenen Wochen seien bereits mehrere Anschläge vereitelt worden. „Wir wussten, dass wir gefährdet sind“, sagte der Präsident. Bedrohte Einrichtungen würden verstärkt geschützt. Hollande rief das Kabinett zu einer Krisensitzung zusammen und kündigte für den Abend eine Fernsehansprache an.

Mit seinen satirischen Veröffentlichungen zu politischen und religiösen Führern hat „Charlie Hebdo“ mehrfach kontroverse Debatten ausgelöst. In Frankreich kam am Mittwoch das neue Buch von Michel Houellebecq mit dem Titel „Unterwerfung“ auf den Markt. Dagegen hatte es heftige Proteste von Muslimen gegeben. In seiner neuen Ausgabe macht sich „Charlie Hebdo“ über das Buch lustig, das für Frankreich das Szenario eines muslimischen Präsidenten im Jahre 2022 entwirft. Die Überschrift der Titelgeschichte: „Die Vorhersagen des Zauberers Houellebecq: 2015 verliere ich meine Zähne ... 2022 befolge ich den Ramadan!“ Bereits im November 2011 waren nach der Veröffentlichung einer „Scharia“-Sonderausgabe mit einem „Chefredakteur Mohammed“ die Redaktionsräume in Flammen aufgegangen. Die Internetseite war zudem mehrfach von Hackern angegriffen worden. Bildliche Darstellungen Mohammeds sind im Islam verboten. Das Magazin hatte wiederholt Drohungen erhalten. Die Redakteure hätten seit Jahren mit dieser Bedrohung gelebt, das Innenministerium habe sie unter Polizeischutz gestellt, berichtete der Anwalt des Blattes, Richard Malka.

Angreifer riefen „Allahu akbar“

Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie zwei vermummte Männer mit Kalaschnikow-Gewehren die Redaktion im Zentrum der französischen Hauptstadt stürmen. Ein Mann schrie „Allahu akbar“ („Gott ist groß“), danach sind erste Schüsse zu hören. Auch die Windschutzscheibe eines Polizeifahrzeuges wurde von Kugeln durchsiebt, wie auch in einem Beitrag des Senders „Sky News“ zu sehen ist.

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Frankreich befindet sich bereits in Alarmbereitschaft, nachdem militante Islamisten im vergangenen Jahr als Rache für Militäreinsätze gegen islamistische Hochburgen im Nahen Osten sowie in Afrika Anschläge auf französische Staatsbürger angekündigt hatten. Kurz vor Weihnachten fuhr ein Mann in der französischen Stadt Dijon unter den Allahu-Akbar-Rufen mehrere Fußgänger an und verletzte zwei von ihnen schwer. Die höchste Sicherheitsstufe wurde in Frankreich bisher nur ein Mal verhängt. Dies war im März 2012 in der Region Midi-Pyrenees nach einem Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse und der Ermordung von drei Fallschirmspringern.

Merkel: Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich in einem Telegramm an Hollande erschüttert. Die abscheuliche Tat sei nicht nur ein Angriff auf die Franzosen und die innere Sicherheit Frankreichs. „Sie stellt auch einen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit dar, ein Kernelement unserer freiheitlich-demokratischen Kultur, der durch nichts zu rechtfertigen ist“, schrieb sie. Auch der britische Premierminister David Cameron sprach von einer abscheulichen Tat. Sein Land stehe beim Kampf gegen den Terrorismus an der Seite Frankreichs. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach von einer Barbarei, die alle Menschen und Europäer treffe. Er sicherte Frankreich die Solidarität der EU-Kommission zu.

Das Bundesinnenministerium erklärte, es bleibe bei der abstrakt hohen Gefährdungslage durch islamistischen Terror. Hinweise über eine konkrete Gefahr in Deutschland lägen nicht vor. Für eine Entscheidung über zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen sei es noch zu früh.

„El País“-Redaktion nach Paketfund evakuiert

Alarmiert durch den Anschlag ist indes die Zentrale der spanischen Zeitung „El País“ in Madrid evakuiert worden. Es habe sich um einen Fehlalarm gehandelt, sagte Chefredakteur Antonio Caño. Nach etwa zwei Stunden konnten die Mitarbeiter ihre Arbeit wieder aufnehmen. Das Gebäude war nach dem Fund eines verdächtigen Pakets geräumt worden.

Nach Angaben von „El País“-Kommunikationsdirektor Pedro Zuazua war gegen 13.45 Uhr ein Mann mit einem Paket aufgetaucht, das als verdächtig eingestuft wurde. Das Paket seit durchleuchtet worden, dabei seien Kabel entdeckt worden. Die Polizei evakuierte daraufhin das Gebäude, in dem sich mehr als 300 Menschen aufhielten.

Auch bei der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ wurde die Sicherheit in den Redaktionshäusern verschärft. „Die Beobachtungen und das Sicherheitsniveau an unseren Standorten in Kopenhagen und Viby sind erhöht worden“, heißt es in einer E-Mail an die Mitarbeiter des Verlages vom Mittwoch, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die „Jyllands-Posten“ hatte 2005 zwölf Mohammed-Karikaturen veröffentlicht, die heftige Reaktionen in der islamischen Welt ausgelöst hatten. Ein Anschlag auf die Redaktion in Kopenhagen hatte 2010 vereitelt werden können.

„Wir stehen in engem Kontakt mit den relevanten Behörden“, schrieb der Verlag am Mittwoch an die Mitarbeiter. „Es ändert sich nichts an der Gefahrenstufe (...), trotzdem herrscht vonseiten der Behörden verschärfte Wachsamkeit.“