Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe des Kunstsmallers Cornelius Gurlitt an. Uta Werner, die Cousine des verstorbenen Cornelius Gurlitt, erhebt ebenfalls Anspruch auf die millionenschwere Sammlung.

Berlin/Bern/München. Das Kunstmuseum Bern tritt das umstrittene Erbe des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an. Das bestätigte der Stiftungsratspräsident des Museums, Christoph Schäublin, am Montag in Berlin.

Nach Angaben von Schäublin hat sich das Museum auf eine weitreichende Vereinbarung mit Bayern und dem Bund verständigt. Danach werden Bilder, die unter NS-Raubkunstverdacht stehen, zunächst in Deutschland bleiben. Die für den Fall Gurlitt gegründete Taskforce soll ihre Herkunft weiter klären.

Zudem verpflichtet sich Deutschland, die Kosten für die Restitution von Bildern zu übernehmen. Die Vereinbarung sollte am Montag mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) unterzeichnet werden.

Der inzwischen gestorbene Gurlitt, Sohn eines NS-Kunsthändlers, hatte das Berner Museum als Alleinerben eingesetzt. Seine Sammlung umfasst mehr als 1500 Bilder, darunter wertvolle Werke etwa von Matisse, Picasso, Renoir und Monet.

Cousine erhebt ebenfalls Anspruch

Die Cousine von Cornelius Gurlitt erhebt ebenfalls Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers. Nach Angaben ihres Sprechers beantragte Uta Werner am Freitag einen Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht. Beim Gericht war zunächst niemand für eine Bestätigung zu erreichen.

Werner werde von ihren Kinder sowie einzelnen Söhnen und Enkeln ihres Bruders Dietrich unterstützt, hieß es in einer Mitteilung vom Freitag. Die betagten Geschwister Uta und Dieter wären die gesetzlichen Erben gewesen. Dietrich Gurlitt hat bisher keine Ansprüche erhoben.

Eigentlich habe sich die Familie nur für den Fall auf das Erbe vorbereiten wollen, dass das Kunstmuseum Bern es ausschlägt. Wegen eines Gutachtens, das den Geisteszustand und damit die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt anzweifelt, habe man sich aber jetzt anders entschieden, hieß es in der Mitteilung.

War Gurlitt zurechnungsfähig?

Erst vor wenigen Tagen hatte ein Gutachten Schlagzeilen gemacht, wonach Gurlitt bei dem Verfassen seines Testaments nicht zurechnungsfähig gewesen sein soll. Seine Cousine Uta Werner, die eine gesetzliche Erbin gewesen wäre, und weitere Familienmitglieder hatten das Gutachten in Auftrag gegeben.

Bislang ist aber keine Entscheidung gefallen, wie mit dem Ergebnis des Gutachtens umgegangen werden soll. Beim Amtsgericht München, dem zuständigen Nachlassgericht, waren bis zum Freitag nach Angaben einer Sprecherin keine offiziellen Forderungen eingegangen.

Der Cousin Dietrich Gurlitt, der wie seine Schwester Uta Werner erbberechtigt gewesen wäre, wenn Bern nicht geerbt hätte, distanzierte sich dagegen von dem Gutachten und hatte betont, er wünsche sich, dass das Schweizer Museum das Erbe annimmt.

Der Fall Gurlitt - eine Chronologie

Die wichtigsten Stationen im „Fall Gurlitt“, der die Kunstwelt in Atem hält – auch weit über den Tod des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt hinaus.

22. September 2010: Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.

23. September 2011: Das Amtsgericht Augsburg bewilligt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für Gurlitts Münchner Wohnung.

28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München-Schwabing wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1280 wertvolle Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, eine Berliner Kunstexpertin mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.

3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin „Focus“ bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.

11. November 2013: Die ersten 25 Werke werden auf der Plattform „lostart.de“ veröffentlicht – nach und nach folgen alle weiteren unter Verdacht stehenden Werke. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen.

19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören. Den Angaben zufolge scheiterten mehrere Übergabeversuche.

23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung gestellt wird.

28. Januar: Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen.

10. Februar: Es wird bekannt, dass mehr als 60 weitere wertvolle Bilder in Gurlitts Haus in Salzburg gefunden wurden – darunter Werke von Picasso, Renoir und Monet. Später stellt sich heraus, dass es sich sogar um insgesamt 238 Werke handelt.

7. April: Gurlitts Anwälte unterzeichnen einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem der Kunsthändler sich bereiterklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurückzugeben.

9. April: Die Staatsanwaltschaft Augsburg gibt die beschlagnahmten Bilder nach mehr als zwei Jahren wieder frei.

6. Mai: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren in seiner Wohnung in München, ohne seine Kunstsammlung noch einmal gesehen zu haben.

7. Mai: Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht.

19. Mai: Gurlitt wird in Düsseldorf im Grab seiner Eltern beigesetzt.

5. September: Im Nachlass von Gurlitt ist nach Angaben der Berliner Taskforce ein weiteres wertvolles Bild gefunden worden: Das Bild „Abendliche Landschaft“ von Claude Monet.

17. November: Ein von Mitgliedern der Gurlitt-Familie in Auftrag gegebenes Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner wird bekannt, demzufolge Cornelius Gurlitt an „paranoiden Wahnideen“ gelitten habe.

21. November: Es wird bekannt, dass das Kunstmuseum Bern das Gurlitt-Erbe annehmen will. Am selben Tag erhebt die Cousine von Cornelius Gurlitt, Uta Werner, Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers.

24. November: Das Kunstmuseum Bern verkündet, das Erbe von Cornelius Gurlitt anzunhemen.