Uta Werner, die Cousine des verstorbenen Cornelius Gurlitt, erhebt Anspruch auf dessen Erbe. Die millionenschwere Sammlung von Gurlitt sollte eigentlich an das Kunstmuseum Bern gehen.

Berlin/Bern/München. Die Cousine von Cornelius Gurlitt erhebt Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers. Nach Angaben ihres Sprechers beantragte Uta Werner am Freitag einen Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht. Beim Gericht war zunächst niemand für eine Bestätigung zu erreichen.

Werner werde von ihren Kinder sowie einzelnen Söhnen und Enkeln ihres Bruders Dietrich unterstützt, hieß es in einer Mitteilung vom Freitag. Die betagten Geschwister Uta und Dieter wären die gesetzlichen Erben gewesen. Dietrich Gurlitt hat bisher keine Ansprüche erhoben.

Eigentlich habe sich die Familie nur für den Fall auf das Erbe vorbereiten wollen, dass das Kunstmuseum Bern es ausschlägt. Wegen eines Gutachtens, das den Geisteszustand und damit die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt anzweifelt, habe man sich aber jetzt anders entschieden, hieß es in der Mitteilung.

Gurlitt hatte in seinem Testament das Kunstmuseum Bern als Alleinerben für seine millionenschwere Kunstsammlung eingesetzt. Am Freitag wurde bekannt, dass das Museum das Erbe antreten will.

Entscheidung am Sonnabend

Ein gutes halbes Jahr nach dem Tod des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt wollte eigentlich das Kunstmuseum Bern dessen umstrittenes Erbe annehmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Freitag in Berlin aus zuverlässigen Kreisen, die in die Verhandlungen eingebunden waren. Ein offizielle Bestätigung gab es nicht, allerdings auch keine gegenteilige Erklärung.

Das Kunstmuseum Bern erklärte, die „abschließende Entscheidung“ falle erst bis zum Sonntagabend auf einer Sitzung des Stiftungsrats und werde am Montag (24.11./11.00 Uhr) in Berlin kommuniziert. „Es kann eine Annahme oder eine Ablehnung geben“, sagte Pressesprecherin Ruth Gilgen auf Anfrage.

Auch das Haus von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und das bayerische Justizministerium wollten die Information nicht bestätigen. Sie verwiesen auf den gemeinsamen Pressetermin mit dem Berner Museum in Berlin. Dort soll über den „weiteren Umgang“ mit Gurlitts Nachlass informiert werden, wie es in einer Einladung vom Donnerstag hieß.

Nazi-Raubkunst?

Die millionenschwere Sammlung Gurlitt, die in seiner Schwabinger Wohnung und später auch in seinem Haus in Salzburg gefunden wurde, umfasst Hunderte Werke, bei denen nicht auszuschließen ist, dass es sich um Nazi-Raubkunst handelt. Gurlitts Vater Hildebrand war einer der Kunsthändler Adolf Hitlers.

Der am 6. Mai gestorbene Kunstsammler hatte sein komplettes Vermögen inklusive der millionenschweren Sammlung dem Kunstmuseum Bern vermacht. Kurz zuvor hatte er eine Vereinbarung unterschrieben, in der er sich bereiterklärte, die Provenienzforschung an seinen Bildern sicherzustellen und betroffene Werke gegebenenfalls an die rechtmäßigen Erben, oft Nachkommen jüdischer Kunsthändler, zurückzugeben.

Das Berner Museum hatte nach der Testamentseröffnung am 7. Mai ein halbes Jahr Zeit, über die Annahme des Erbes zu entscheiden. Offiziell läuft der Termin am 7. Dezember aus.

War Gurlitt zurechnungsfähig?

Erst vor wenigen Tagen hatte ein Gutachten Schlagzeilen gemacht, wonach Gurlitt bei dem Verfassen seines Testaments nicht zurechnungsfähig gewesen sein soll. Seine Cousine Uta Werner, die eine gesetzliche Erbin gewesen wäre, und weitere Familienmitglieder hatten das Gutachten in Auftrag gegeben.

Bislang ist aber keine Entscheidung gefallen, wie mit dem Ergebnis des Gutachtens umgegangen werden soll. Beim Amtsgericht München, dem zuständigen Nachlassgericht, waren bis zum Freitag nach Angaben einer Sprecherin keine offiziellen Forderungen eingegangen.

Der Cousin Dietrich Gurlitt, der wie seine Schwester Uta Werner erbberechtigt gewesen wäre, wenn Bern nicht geerbt hätte, distanzierte sich dagegen von dem Gutachten und hatte betont, er wünsche sich, dass das Schweizer Museum das Erbe annimmt.

Der Fall Gurlitt - eine Chronologie

Die wichtigsten Stationen im „Fall Gurlitt“, der die Kunstwelt in Atem hält – auch weit über den Tod des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt hinaus.

22. September 2010: Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.

23. September 2011: Das Amtsgericht Augsburg bewilligt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für Gurlitts Münchner Wohnung.

28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München-Schwabing wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1280 wertvolle Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, eine Berliner Kunstexpertin mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.

3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin „Focus“ bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.

11. November 2013: Die ersten 25 Werke werden auf der Plattform „lostart.de“ veröffentlicht – nach und nach folgen alle weiteren unter Verdacht stehenden Werke. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen.

19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören. Den Angaben zufolge scheiterten mehrere Übergabeversuche.

23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung gestellt wird.

28. Januar: Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen.

10. Februar: Es wird bekannt, dass mehr als 60 weitere wertvolle Bilder in Gurlitts Haus in Salzburg gefunden wurden – darunter Werke von Picasso, Renoir und Monet. Später stellt sich heraus, dass es sich sogar um insgesamt 238 Werke handelt.

7. April: Gurlitts Anwälte unterzeichnen einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem der Kunsthändler sich bereiterklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurückzugeben.

9. April: Die Staatsanwaltschaft Augsburg gibt die beschlagnahmten Bilder nach mehr als zwei Jahren wieder frei.

6. Mai: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren in seiner Wohnung in München, ohne seine Kunstsammlung noch einmal gesehen zu haben.

7. Mai: Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht.

19. Mai: Gurlitt wird in Düsseldorf im Grab seiner Eltern beigesetzt.

5. September: Im Nachlass von Gurlitt ist nach Angaben der Berliner Taskforce ein weiteres wertvolles Bild gefunden worden: Das Bild „Abendliche Landschaft“ von Claude Monet.

17. November: Ein von Mitgliedern der Gurlitt-Familie in Auftrag gegebenes Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner wird bekannt, demzufolge Cornelius Gurlitt an „paranoiden Wahnideen“ gelitten habe.

21. November: Es wird bekannt, dass das Kunstmuseum Bern das Gurlitt-Erbe annehmen will. Am selben Tag erhebt die Cousine von Cornelius Gurlitt, Uta Werner, Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers.