Juristen, Suchtexperten, Mediziner sind sich einig: Der Eigengebrauch von Cannabis sollte nicht bestraft werden. Ein Professor hält das Betäubungsmittelgesetz sogar für verfassungswidrig.

Frankfurt/Main. Breiter Konsens für die Liberalisierung von Cannabis: Experten aus verschiedenen Fachgebieten haben bei einer Tagung in Frankfurt eine Entkriminalisierung des Konsums gefordert. Weltweit zeige sich die Erfolglosigkeit der strafrechtlichen Bekämpfung von Drogennachfrage und -angebot, betonte der sogenannte Schildower Kreis in einer Resolution. Die Initiative von mehr als 100 Strafrechtsprofessoren setzt sich für eine neue Drogenpolitik ein. Zudem berge der Schwarzmarkt große Risiken. So werde etwa eine Schattenwirtschaft mit möglichen Auswirkungen auf die globale Finanzmärkte und nationale Volkswirtschaften geschaffen.

„Betäubungsmittelgesetz ist verfassungswidrig“

Der Sprecher des „Schildower Kreises“, Prof. Lorenz Böllinger, betonte: „Das Betäubungsmittelgesetz ist verfassungswidrig.“ Cannabis-Konsum zu bestrafen, verstoße gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, sagte Böllinger. Der Zweck, Handel und Konsum einzudämmen, werde nachweislich nicht erreicht. Es gebe viele negative Folgen, zum Beispiel erschwere es die Prävention. Cannabis-Konsum sei ein „opferloses Delikt: Der Konsument schädigt nur sich selbst – wenn überhaupt“. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1994 die Verfassungsmäßigkeit des Betäubungsmittelstrafrechts aber grundsätzlich bestätigt.

Die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) kündigte einen Modellversuch im Rahmen des „Frankfurter Wegs“ in der Drogenpolitik an. Dabei werden Prävention, Beratung und Therapie vor Repression gestellt. „Wir können nicht länger die Augen verschließen“, sagte sie. „Wir brauchen pragmatische Handlungsansätze.“ Nach der Tagung sollen die Eckpunkte für das – noch nicht terminierte – Modellprojekt ausgearbeitet werden.

Zwölf Prozent der Deutschen konsumierten 2013 Cannabis

Laut Suchtforscher Heino Stöver von der FH Frankfurt haben zwölf Prozent der Deutschen im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert, nur drei Prozent seien aber Gewohnheitsnutzer. Der Dauergebrauch sei „auf niedrigem Niveau stabil“ und werde – wie der Vergleich mit anderen Ländern zeige – durch rechtliche Eingriffe kaum verändert.

Rechtsmediziner Prof. Volker Auwärter (Uni Freiburg) betonte, das Schädlichste an Cannabis sei die Gefahr für die Gesundheit durch das Rauchen. Laut Dirk Peglow vom Bund deutscher Kriminalbeamter entfielen im vergangenen Jahr 145 000 der 250 000 Drogendelikte auf Cannabis. Häufig würden die Verfahren wegen geringer Mengen eingestellt.

Andere Länder, andere Gesetze

Die Justiz geht in verschiedenen Staaten unterschiedlich mit dem Konsum von Cannabis um. In Deutschland gilt es als illegales Suchtmittel. Beispiele aus anderen Ländern:

URUGUAY: Das südamerikanische Land erlaubte im Mai als weltweit erster Staat Anbau und Verkauf von Marihuana unter staatlicher Kontrolle. Registrierte Konsumenten ab 18 Jahren können monatlich bis zu 40 Gramm Cannabis für den Eigengebrauch in Apotheken kaufen. Mit der Regelung erhofft sich die Regierung in Montevideo Fortschritte im Kampf gegen die Drogenkartelle. Rauchen von Marihuana in öffentlich zugänglichen Räumen und Plätzen bleibt aber verboten.

NIEDERLANDE: In den rund 650 Coffee-Shops darf im Prinzip jeder Erwachsene Marihuana oder Haschisch legal kaufen. Der Besitz von fünf Gramm ist nicht strafbar. Seit 2013 können Kommunen den Verkauf an Ausländer untersagen, um den Drogentourismus aus Nachbarländern zu unterbinden. Während der Verkauf für den privaten Konsum erlaubt ist, bleibt der Anbau von mehr als fünf Cannabis-Pflanzen verboten.

USA: 2012 waren Colorado und Washington die Vorreiter für die Freigabe, nun stimmten auch die Wähler in Alaska und Oregon für die Legalisierung von Marihuana. In Oregon dürfen Bürger ab 21 Jahren das Rauschmittel besitzen und bei sich zu Hause vier Cannabis-Pflanzen anbauen, in Alaska maximal sechs Pflanzen. Auch in der Hauptstadt Washington ist das Kiffen nun legal. Nach Bundesgesetzen ist Marihuana aber weiter eine illegale Droge.

FRANKREICH: Bereits der Besitz kleinster Mengen ist strafbar. Cannabis-Konsumenten drohen bis zu einem Jahr Gefängnis und 3750 Euro Geldstrafe. Zudem muss der Verurteilte ein Aufklärungsseminar über die Gefahren von Drogen besuchen.

TÜRKEI: Besitz, Verkauf und Kauf von Cannabis können mit vier bis zehn Jahren Haft bestraft werden. Wer Drogen in der Türkei produziert oder ins Land schmuggelt, dem drohen sogar 10 bis 20 Jahre Gefängnis. Über die Türkei verläuft eine der großen Routen für den Drogenschmuggel nach Europa.

MALAYSIA: Die Drogengesetze in dem südostasiatischen Land zählen weltweit zu den drakonischsten. Der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Für den Anbau der Droge drohen lebenslängliche Haft und mindestens sechs Peitschenhiebe. Wer mit 200 oder mehr Gramm des Rauschgiftes erwischt wird, gilt als Drogenhändler und ist nach malaysischen Recht zwingend zum Tod durch Erhängen zu verurteilen.