Wie Millionen andere Menschen verfolgte Melanie Mayer die Rettung der Kohlekumpel in Chile. Nun hat sie einen von ihnen geheiratet. Es begann mit ihrer Freundschaftsanfrage auf Facebook, die er akzeptierte.

Santa Cruz. Als die Rettungskapsel Fenix 3 am 13. Oktober 2010 um 12.50 Uhr Bergmann Nr. 16 aus seinem 700 Meter tief gelegenen Gefängnis unter Tage rettete, saß Melanie Mayer im schwäbischen Weingarten bei Ravensburg vor dem Fernseher. Die spektakuläre Rettungsaktion der 33 Kumpel faszinierte sie, doch einer der geretteten Bergleute hatte es ihr besonders angetan. Daniel Herrera, 27, einer der jüngsten aus der Gruppe, die 69 Tage unter Tage ausharren musste, erregte ihre Aufmerksamkeit. „Er hatte so eine Ausstrahlung, so ein besonderes Charisma“, sagt Melanie.

Zwei Wochen später machte sich die damals 32 Jahre alte Schwäbin in den sozialen Netzwerken auf die Suche nach Daniel Herrera. Bei Facebook fand sie das Profil des jungen Südamerikaners und der akzeptierte ihre Freundschaftsanfrage. „Ich wollte ihn zunächst einmal nur näher kennenlernen, wissen wie er als Mensch ist und ob mein Eindruck vom Fernsehen stimmte“, sagt Mayer. Doch zunächst schien sie sich getäuscht zu haben.

Daniel war zurückhaltend, antworte bei den Chats nur mit Ja oder Nein. Ein wirkliches Gespräch kam nicht zustande. Also beließ es Melanie Mayer erst mal dabei, es schien, als ob es doch keine Verbindung zwischen den beiden gab. Doch als sich die deutsche Bürokauffrau zurückzog, begann sich Daniel für die Frau mit den vielen Fremdsprachenkenntnissen zu interessieren. Und nun war er es, der via Facebook das Gespräch suchte.

„Ich habe zunächst geglaubt, sie meint das nicht ernst“, erinnert sich Daniel. Es war die Zeit, als die ganze Welt etwas von den 33 Bergleuten wissen wollte. Als TV-Shows und Medien um Interviews und Lebensgeschichten buhlten. Doch die digitale Verbindung von Daniel und Melanie stellte sich als stärker heraus. Melanie beschloss, Daniel in Chile zu besuchen. Und irgendwann geschah es dann: Daniel verliebte sich in Melanie. Melanie verliebte sich in Daniel.

Mit dem zehnjährigen Sohn nach Chile ausgewandert

Im September packte sie dann ihre Sachen. Sie hatte sich entschieden, mit dem zehnjährigen Sohn Noah nach Chile auszuwandern. 17 Jahre lang hat sie zuvor bei ZF Friedrichshafen gearbeitet. „Ich hatte eine interessante Arbeit, super nette Kollegen in einer tollen Firma. Da überlegt man sich diesen Schritt genau.“ Am 5. September kam Melanie in Santiago an. Der lange Flug via München und Madrid ans andere Ende der Welt war anstrengend. Doch dann wartete eine Überraschung auf Melanie und Noah. Mit einem Strauß Rosen stand Daniel am Flughafen vor ihr, in der Hand einen Ring und ging in die Knie. Begleitet wurde er von einem Fernsehteam. „Mit allem habe ich gerechnet, aber nicht damit“, sagt Melanie. „Ich war völlig perplex.“ Und sie sagte Ja.

Am 30. Oktober heirateten Daniel und Melanie. Sie ganz in weiß, er in der traditionellen chilenischen Tracht. Vor ein paar Tagen strahlte das chilenische Fernsehen die Geschichte aus, am Tag danach mussten Daniel und Melanie im Supermarkt für Erinnerungsfotos bereitstehen und Autogramme schreiben. „Die Menschen gratulieren uns zu unserer Geschichte. Vor allem Daniel, der so viel durchmachen musste unter Tage, gönnen sie, dass er sein Lebensglück gefunden hat.“ Ein paar Tage zuvor haben die beiden einen Ausflug gemacht.

Zurück an den Ort des Geschehens, den Daniel eigentlich nicht so gerne besucht. Die Mine San Jose in der Atacama-Wüste. Daniel zeigte seiner Frau, wo und wie er um sein Leben kämpfte. Den kleinen Schacht, nur eine Handbreit groß, in dem sie die Nachricht nach oben schickten, die die ganze Welt elektrisierte: „Es geht uns gut in unserem Refugium – Die 33“. Das Bild, das den damaligen chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera mit dem Zettel zeigt, schmückte die internationalen Titelseiten. Zuvor hatten die 33 Bergleute in völliger Finsternis 14 Tage ausgeharrt, ohne zu wissen, ob da oben 700 Meter über ihnen überhaupt noch gesucht wurde.

Er zeigte ihr die schmale enge Rettungskapsel, in der er die 700 Meter nach oben gezogen wurde. „Keine zehn Minuten würde ich es darin aushalten“, sagt Melanie. Seine Auffahrt dauerte genau 42 Minuten. Er will wissen, warum sie sich für ihn interessiert hatte. „Weil du mir damals gefallen hast“, sagt sie. „Nur damals“, fragt er rhetorisch. „Nein, auch jetzt noch“, antwortet Melanie. Dann küssen sie sich und Chiles TV-Zuschauer kämpfen mit den Tränen.

Melanie Mayer hat das Abenteuer Chile nicht blauäugig angepackt. „Im Moment ist alles toll, aber wir müssen uns natürlich auch im Alltag zurechtfinden.“ In Santa Cruz, rund zwei Autostunden von der Hauptstadt Santiago, lebt die junge Familie. Der Sohn muss bald zur Schule. Irgendwann soll auch der Rest der Familie und der Freunde aus Deutschland einmal nach Chile kommen und ihr neues Leben kennenlernen. Daniel arbeitet inzwischen als Lkw-Fahrer in einem Bergwerk. Diesmal über Tage.