Unsere Autorin findet: Die Hilfen im Haushalt sind mindestens genauso wichtig wie Lehrer. Heute ist der Gedenktag der Hilfe für den Haushalt. Deshalb: Eine Ode an die Putzfrau.

Berlin. Es gibt gibt zwei Personen, die es mir ermöglichen zu sein, was ich bin, also im politisch-soziologischen Sinn zu sein, was ich bin: berufstätige Mutter. Die erste Person ist die Lehrerin. Oder der Lehrer. Alle Lehrer und Lehrerinnen, denen ich meine Kinder tagsüber anvertrauen kann, machen es möglich, dass ich arbeiten gehe. Ich muss mir keine Gedanken machen um meine Kinder. Sie gehen in die Schule, und die Lehrer und Lehrerinnen kümmern sich. Sie rennen nicht auf der Straße herum, sie frieren nicht. Sie sitzen in einem geheizten und gut bewachten Schulgebäude, treffen andere Kinder und haben mit ihnen eine gute Zeit. Und nebenbei lernen sie etwas.

Die Schule ist zweifellos eine wunderbare Sache. Aber hier, in diesem Text, soll es nicht um sie gehen, weil ja ohnehin alle immerzu über Schule und über Lehrer reden. Hier geht es um die andere Person.

Es ist die Putzfrau. Alle reden immerzu über Lehrer. Niemand aber redet über die Putzfrauen. Dabei sind Putzfrauen ungefähr genauso wichtig wie Lehrer. Hätte ich keine Putzfrau, müsste ich selbst putzen. Um meine Wohnung so sauber zu halten wie meine Putzfrau, müsste ich mindestens genauso viel putzen wie meine Putzfrau, wahrscheinlich sogar länger, weil ich es nicht so gut kann wie sie. Ich hätte die Wahl, ich müsste mich entscheiden. Wo ziehe ich die Zeit ab, die es mich kostet, die Wohnung zu putzen? Von meinen Kindern? Von meinem Bürojob? Oder von meinem Schlaf?

Das eine wäre schlimmer als das andere. Ich kann wirklich nicht sagen, welche Vorstellung die Schlimmste ist. Die Vorstellung, abends nach Hause zu kommen und mich mit dem Siff im Badezimmer zu beschäftigen anstatt mit meinen Kindern. Oder die Vorstellung, nicht arbeiten zu gehen und stattdessen selbst putzende Hausfrau zu sein. Oder die Vorstellung, nachts zu putzen, während die anderen schlafen. Die schönste Vorstellung ist die Realität: Ich komme nach Hause und finde meinen Haushalt ordentlicher vor, als ich ihn hinterlassen habe weil die Putzfrau da war.

Ich liebe meine Putzfrau. Ich liebe sie dafür, dass sie es schafft, dass ich gern nach Hause komme. Ich liebe sie, weil sie macht, dass ich zum Beispiel meine Küche liebe. Diesen einen Moment lang, nachdem meine Putzfrau sie poliert hat und bevor ich sie wieder benutze. Die Oberflächen sind dann krümelfrei, fleckenfrei, glänzend und glatt. Sauber eben. Der Anblick meiner Spüle kann mich in verschiedene Gemütszustände versetzen. Am Sonntagabend: Ein ganzes Wochenende lang kochen, schälen, abgießen und ausgießen. Der Anblick meiner Spüle am Sonntagabend macht mich depressiv.

Am Montagabend, Putzfraumontagabend. Die Spüle glänzt, denn meine Putzfrau war da. Meine Putzfrau schafft es, meine viele Jahre alte Spüle immer wieder so herzurichten, dass sie aussieht wie neu. Das ist nicht einfach dahergesagt, es ist wahr. Wahr ist auch, dass der Anblick mich glücklich macht.

Ich bewundere meine Putzfrau. Es kommt vor, dass ich etwas nicht finde. Irgendein Buch oder ein Ladekabel oder ein Spielzeug oder einen Dosenöffner. Dann rufe ich sie an und frage sie. Sie weiß immer eine Antwort. Sie kennt meinen Haushalt besser als ich.

Ich habe keine Lust, mich zu entschuldigen, dass ich „Personal“ beschäftige. Eine Putzfrau ist kein Luxus. Sie tut auch nichts, wozu ich mir zu schade bin. Ich schaue nicht auf sie herab, sie nicht zu mir herauf. Genauso wenig, wie ich zu meinem Zahnarzt oder zu meinem Friseur herauf- oder herabschaue. Sie tut etwas, wozu ich keine Zeit habe. Sie hilft mir, und ich bezahle sie dafür.

Wahrscheinlich könnte ich auch ohne meine Putzfrau leben. Genauso, wie ich auch ohne Zahnarzt oder ohne Friseur leben kann. Aber es wäre kein schönes Leben mehr. Meine Putzfrau hilft mir, das Leben in seiner Komplexität zu meistern. Sie hilft mir das zu sparen, was für mich das kostbarste und knappste Gut ist: Zeit. Meine Putzfrau hält mir den Rücken frei für die Arbeit und für die Kinder. Dafür, dass ich politisch und soziologisch das sein kann, was ich bin und was ich gern sein möchte: eine berufstätige Mutter.

Natürlich ginge es auch ohne sie. Aber verdammt schlecht.

Grund für diese Ode: Am heutigen Sonnabend ist der „Tag der Putzfrau“, den die Essener Autorin Gesine Schulz vor zehn Jahren ins Leben gerufen hat. 84 Prozent der Haushaltshilfen haben der Studie zufolge eine abgeschlossene Ausbildung – wenn auch meist eine fachfremde. 82 von 100 Haushaltshilfen bezeichneten das Verhältnis zu ihren Arbeitgebern als „sehr gut“, 16 weitere als „gut“. Fast jede zweite arbeitet länger als fünf Jahre in einem Haushalt.

Haushaltshilfen und die Familien, in denen sie arbeiteten, bauten vielfach ein langjähriges Vertrauensverhältnis auf, sagt der Wirtschaftsethiker Prof. Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Das ist auch nötig: Schließlich bekommen die Haushaltshilfen oft einen Schlüssel und sind stundenlang allein in der Wohnung. Beim Babysitten ist die Verantwortung noch viel größer.

Problem: Mehr als 90 Prozent der rund vier Millionen Haushaltshilfen in Deutschland arbeiten weiter „schwarz“ ohne Anmeldung und haben damit bei einem Unfall keine eigene Absicherung. Das will die bundesweite Minijob-Zentrale mit einer Vermittlungsbörse und einer Anmeldekampagne ändern.