Epidemie breitet sich weiter aus. Ein Arzt, der in Westafrika half, brachte das Virus in die US-Metropole

Washington/New York. Craig Spencer, 33, wollte mit gutem Beispiel vorangehen und seine Berufskollegen ermutigen, ebenfalls in Afrika anzupacken, um der Seuche Herr zu werden. Seit Donnerstagmittag liegt der Mediziner des Presbyterian-Krankenhauses in New York, der wochenlang in Guinea Ebola-Kranken half und sich dort mit dem Virus ansteckte, auf der Isolierstation des Bellevue Hospitals in der Nähe des Empire State Buildings. Sein gefährliches Mitbringsel markiert den ersten Ebola-Fall in der Millionenmetropole am Hudson River, den vierten in Amerika überhaupt.

Ahnend, wie schnell in einer extrem dicht bewohnten Acht-Millionen-Einwohner-Stadt, in der alles lauter, schneller, aufgeregter vor sich geht, aus leiser Hysterie Panik werden kann, ging die Stadtführung am späten Abend mit einem Großaufgebot an die Öffentlichkeit. Bürgermeister Bill DiBlasio, Mario Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaates New York, und die städtische Gesundheitskommissarin Dr. Mary Bassett erklärten dabei unisono: „Wir haben uns seit Monaten auf dieses Szenario eingestellt. Wir sind so gut vorbereitet, wie man nur sein kann. Niemand muss sich ernsthafte Sorgen machen.“

Ob das reicht, daran haben viele New Yorker nach den Vorkommnissen in Dallas, wo ein aus Liberia eingereister Ebola-Kranker starb, weil sein Zustand zu spät diagnostiziert wurde, und sich zwei Krankenschwestern mit dem Virus infizierten, ihre Zweifel. „Dieser Fall wird definitiv jede Menge Unruhe und verrückte Dinge in unseren Alltag bringen“, sagte am Freitag ein Hotdog-Verkäufer in Manhattan.

Craig Spencer hatte mit der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bis zum 12. Oktober in Guinea Ebola-Patienten behandelt. Er verließ das afrikanische Land am 14. Oktober und kam nach einer Zwischenlandung in Brüssel am 17. Oktober am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen an. Dort durchlief er das dort eigens eingerichtete Untersuchungsregime für Reisende aus Ebola-Ländern – ohne jeden Befund.

Erst am Donnerstagvormittag meldete sich der Doktor bei seinem Arbeitgeber krank. Er klagte über typische Ebola-Symptome: Übelkeit, Durchfall, starke Ermattung und fast 40 Grad Fieber. Zwei Stunden später tauchte ein Spezialistenteam des städtischen Gesundheitsamtes in Schutzmontur vor Spencers Apartmenthaus in der 147. Straße im Stadtteil Harlem auf und transportierte den Kranken auf die Quarantänestation des Bellevue. Die Wohnung wurde versiegelt, die Mieterschaft, immerhin knapp 300 Haushalte, bekamen gesonderte Informationen. So weit alles nach Vorschrift, so weit alles nach Plan. „Der Patient ist schwer krank, es geht ihm den Umständen entsprechend“, sagte ein Krankenhaussprecher. Und wie geht es New York?

Seit die Nachricht in Umlauf gebracht wurde, dass Spencer noch am Mittwochabend mit der Subwaylinie A und L gefahren war, im Szenestadtteil Williamsburg eine Bowlingbahn und ein Konzert besucht hatte, bevor er mit dem privaten Taxidienst Uber die Heimreise antrat, ist die Besorgnis erheblich. „Was, wenn ich in der U-Bahn meine Hand da hatte, wo er angepackt hat?“, fragte am Freitag Patricia Pack, 19, und zog sich die Mundschutzmaske enger ins Gesicht, „ich habe Angst.“ Der Hinweis, dass Ebola nur über Körperflüssigkeiten übertragen wird und erst ansteckend ist, wenn der Infizierte Symptome der Erkrankung zeigt, reicht ihr nicht aus.

Die Behörden gingen auf Nummer sicher. Um ein komplettes Bewegungsprofil Spencers zu erstellen wurden inzwischen auch seine Kreditkarten überprüft. Bisherige Erkenntnis: Er hatte in den entscheidenden letzten Tagen engeren Kontakt nur zu vier Menschen: seiner Verlobten Morgan, zwei Freunden und dem Taxifahrer. Drei Personen wurden vorsorglich unter Quarantäne gestellt. Keine zeigte bis Freitag Anzeichen der Krankheit. Die Inkubationszeit bei Ebola beträgt aber 21 Tage. New York wartet ab. Und bangt.

Unterdessen hat Ebola auch Mali erreicht. Im bislang vom Virus verschonten Land wurde die Krankheit bei einem zweijährigen Mädchen nachgewiesen. Es war Mittwoch in ein Krankenhaus in Kayes gebracht worden, wo es nach Angaben einer Krankenschwester am Freitag gestorben ist. Das Mädchen war zuvor in Guinea gewesen, das stark von der Seuche betroffen ist. Dort ist der Vater an Ebola gestorben.

Die erste, in den USA mit Ebola angesteckte Frau wiederum ist nun wieder gesund. Die Krankenschwester Nina Pham, 26, sei am Freitag aus dem Krankenhaus in Bethesda bei Washington entlassen worden, teilte das nationale Gesundheitsinstitut NIH mit. Präsident Barack Obama will sie im Weißen Haus empfangen. Pham hatte in Dallas den Liberianer Thomas Eric Duncan behandelt, der dort an Ebola starb.