Christophe de Margerie wollte gerade nach Paris aufbrechen, beim Start rammte sein Privatjet einen Schneepflug, fing Feuer und brannte aus. Der Total-Chef kam mit den drei Crewmitgliedern ums Leben.

Moskau/Paris. Tragisches Unglück am Flughafen Moskau-Wnukowo: Der Chef des französischen Mineralölkonzerns Total, Christophe de Margerie, ist bei einem Flugzeugunfall zusammen mit den drei Crew-Mitgliedern seines Privatjets ums Leben gekommen. Die Maschine stieß in der Nacht zum Dienstag auf dem Flughafen beim Start mit einem Schneepflug zusammen. Der Fahrer des Räumfahrzeug war offenbar betrunken. „Ärzten zufolge befand sich der Mann im Alkoholrausch“, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde am Dienstag der Agentur Interfax.

Als wahrscheinlichste Ursache gelte menschliches Versagen, sagte Markin. „Warum sich der Fahrer des Schneeräumfahrzeugs entschieden hat, die Start- und Landebahn vor dem startenden Flugzeug zu überqueren, muss eine Untersuchungskommission klären“, sagte ein Ermittler in Moskau. Der unverletzte Fahrer wurde am Dienstag festgenommen. Fluglotsen sollen als Zeugen vernommen werden. Russlands Vizeverkehrsminister Waleri Okulow sagte: „Für diese Schlamperei habe ich keine Worte.“ Noch am Dienstag sollten drei französische Ermittler in Moskau eintreffen.

Der Tod war in der Nacht vom Konzern in Paris bestätigt worden. Das Geschäftsreiseflugzeug vom Typ „Falcon 50“ sei im Nebel beim Start mit Ziel Paris mit einem Schneeräumfahrzeug zusammengeprallt, hieß es zuvor von russischen Behörden. Die Sicht zum Unfallzeitpunkt habe 350 Meter betragen, teilte der Flughafen mit. Das Flugzeug sei ausgebrannt. Der Flugbetrieb sei kurzzeitig unterbrochen gewesen.

Hollande und Putin bekunden Beileid

In Paris reagierte Frankreichs Präsident François Hollande schockiert. De Margerie habe der französischen Industrie und der Entwicklung des Total-Konzerns sein Leben gewidmet, hieß es in einer Mitteilung. Er habe das Unternehmen auf weltweites Spitzenniveau geführt. Hollande würdigte de Margerie als unabhängigen Charakter mit origineller Persönlichkeit und Hingabe für sein Land.

Auch Kremlchef Wladimir Putin äußerte sein Beileid. Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte, de Margerie habe sich stets leidenschaftlich für den Ausbau der bilateralen Beziehungen eingesetzt. Moskauer Medien zufolge hatte sich der Total-Chef am Montag nahe der Hauptstadt mit Regierungschef Dmitri Medwedew getroffen, um über Investitionen zu sprechen.

Trauer um Monsieur „Big Moustache“

Wie ein typischer Erdölmanager wirkte Christophe de Margerie nicht. Humorvoll, pausbäckig und mit einem dicken Schnauzbart, erinnerte der Chef des französischen Erdölriesen Total an einen gutmütigen Onkel. Dabei war der Franzose einer der einflussreichsten Wirtschaftslenker seines Landes, mit Kontakten in der ganze Welt und vor allem in die erdölreichen Regionen. Die Korruptionsaffären um Total brachten ihm eine Nacht im Polizeigewahrsam und einen Prozess ein. In der Nacht zum Dienstag starb der 63-Jährige bei einem Flugzeugunglück in Moskau.

Seit 2007 stand de Margerie an der Spitze von Total, des nach Umsatz und Gewinn größten französischen Unternehmens und des weltweit fünftgrößten Erdöl- und Gaskonzerns. Zuvor war er jahrelang – seit 1999 – die Nummer zwei des Konzerns gewesen, zuständig für Erdöl- und Gasförderung und Produktion. Insgesamt 40 Jahre lang arbeitete der Absolvent der angesehenen Pariser Handelsschule Ecole supèrieure de Commerce in dem eigentlich von Ingenieuren geprägten Großkonzern.

Diplomatenspross

Christophe Jacquin de Margerie wurde am 6. August 1951 geboren, er entstammte einer Familie von Diplomaten und Unternehmenschefs. Sein Großvater Pierre Taittinger hatte um die nach ihm benannte Champagnermarke ein Luxusimperium aufgebaut. Den jungen de Margerie aber zog es ins Erdölgeschäft: 1974 fing er in der Finanzdirektion der damaligen Französischen Erdölgesellschaft an, aus der später Total wurde.

1995 wurde de Margerie Total-Generaldirektor für den Nahen Osten – eine Aufgabe, die ihn zum Kenner der im Erdölgeschäft strategisch zentralen Region machte. Aus dieser Zeit stammt auch sein Ruf, ein hervorragendes Verhandlungsgeschick zu besitzen. „Eine seiner großen Stärken ist es, sehr starke persönliche Bindungen mit den Führern dieser Länder geschaffen und bewahrt zu haben“, sagte ein Konzernmanager einmal.

Nach der Fusion von Total mit dem belgischen Petrofina-Konzern übernahm de Margerie 1999 die wichtige Sparte Erdöl- und Gasförderung und Produktion. Der Spitzenmanager, wegen seines prächtigen Schnauzbarts „Big Moustache“ genannt, genoss den Ruf, warmherzig und offen für Diskussionen zu sein. Er habe „eine ordentliche Portion Humor, und bleibt dabei immer fest und bestimmt“, sagte einer seiner Mitarbeiter einmal.

Kapitän im Sturm

Die Konzernführung übernahm de Margerie 2007 aber in für den Konzern stürmischen Zeiten. Da war zum einen die juristische Aufarbeitung der Ölkatastrophe nach dem Untergang des Tankers „Erika“ 1999, für den Total später mitschuldig gesprochen wurde. Kurz nach seinem Antritt als Konzernchef wurde de Margerie zudem wegen Korruptionsvorwürfen in einer Total-Affäre mit dem Iran 24 Stunden in Polizeigewahrsam genommen. In einer anderen Korruptionsaffäre um das Irak-Hilfsprogramm „Öl für Lebensmittel“ wurden Total, de Margerie und alle anderen Angeklagten im Juli 2013 freigesprochen.

Doch auch wegen seiner Aktivitäten im autoritär regierten Birma, der Industriekatastrophe in einer Düngemittelfabrik in Toulouse mit 31 Toten 2001 und der Frage der umstrittenen Schiefergasförderung stand Total in der Kritik – de Margerie musste stets gegen das schlechte Image des Konzerns ankämpfen, der kolossale Gewinne einstreicht, in Frankreich aber keine Körperschaftssteuer zahlt, weil er dort ein Defizit aufweist. „Wenn man über Total spricht, wissen die meisten Menschen nicht, was es ist – aber sie wissen, dass es nicht gut ist“, klagte de Margerie einmal.

Ein großes Augenmerk setzte er auf Russland: Bis 2020 sollte das Land der wichtigste Total-Standort bei der Erdöl- und Gasproduktion werden. Kurz vor seinem Tod soll de Margerie laut einem Medienbericht mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew über Investitionen beraten haben. Der Konzernchef starb, als er von Moskau nach Paris zurückfliegen wollte und sein Privatjet beim Start mit einem Schneeflug zusammenstieß. De Margerie hinterlässt seine Frau und drei Kinder.