Nachdem der südafrikanische Paralympics-Star wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp verurteilt wurde, wird jetzt das Strafmaß entschieden. Möglich sind bis zu 15 Jahre Haft.

Pretoria. Für die Tötung seiner Freundin sollte der südafrikanische Paralympics-Star Oscar Pistorius nach Ansicht eines Sachverständigen drei Jahre Hausarrest bekommen. Das erklärte der von der Verteidigung mit einem Gutachten beauftragte Sozialarbeiter im Strafvollzug, Mashaba Joel Maringa, am Montag vor Gericht im südafrikanischen Pretoria.

Im Fall von Pistorius würde Hausarrest in Kombination mit monatlich 16 Stunden gemeinnütziger Arbeit – etwa als Reinigungskraft –garantieren, dass der Verurteilte nicht rückfällig werde und sein Verhalten grundsätzlich ändere, erklärte Maringa bei der Anhörung zur Festlegung der Strafe.

Das Gutachten stieß auf heftigen Protest der Staatsanwaltschaft. Allein die Vorstellung, dass Pistorius mit Hausarrest davonkommen könnte, sei „schockierend“, erklärte Chefankläger Gerrie Nel. Er strebt eine hohe Haftstrafe für Pistorius an. Möglich wären laut Gesetz bis zu 15 Jahre. Dem einstigen Sportidol Südafrikas könnte das Gefängnis aber auch erspart bleiben. Auch eine Bewährungsstrafe oder eben Hausarrest in Kombination mit gemeinnütziger Arbeit sind möglich.

Der Ankläger hatte ursprünglich gefordert, Pistorius nach den tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp wegen Mordes zu verurteilen. Richterin Thokozile Masipa wertete die Tat jedoch als fahrlässige Tötung. Pistorius hatte sie in der Nacht zum Valentinstag 2013 durch eine geschlossene Toilettentür seines Hauses erschossen. Pistorius gab an, sie mit einem Einbrecher verwechselt zu haben.

Am Montag hatten sich Verteidigung und Anklage vor Gericht zuvor ein Gefecht um die Höhe des Strafmaßes geliefert. Bei Anhörungen vor Gericht in Pretoria zog Staatsanwalt Gerrie Nel am Montag Aussagen einer Trauma-Therapeutin in Zweifel. Sie stellte Pistorius als gebrochenen Mann dar, der unfähig sei, den Tod seiner Geliebten zu überwinden.

Psychologin: Pistorius fühlt sich „absolut wertlos“

„Oscar Pistorius mag ja ein gebrochener Mann sein, aber er kann sein Leben fortsetzen“, sagte Staatsanwalt Nel im Kreuzverhör der Psychologin Lore Hartzenberg. Die anerkannte Trauma-Expertin hatte Pistorius monatelang betreut, nachdem er seine Freundin – versehentlich, wie er immer wieder beteuerte – mit mehreren Schüssen getötet hatte. Pistorius habe oft spontan geweint, Trauer und Schmerz hätten ihn überwältigt.

„Ich kann bestätigen, dass seine Gewissensbisse und sein Schmerz echt sind“, sagte Hartzenberg. Seit der Bluttat fühle sich der einst angehimmelte Sportstar bis heute „absolut wertlos“. Er habe noch keinen Weg gefunden, sein Trauma zu überwinden.

Der Staatsanwalt versuchte immer wieder, dies in Zweifel zu ziehen. Unter anderem, indem er andeutete, Pistorius könne bereits wieder an die Fortsetzung seiner Karriere als Paralympics-Sportler denken.

Entscheidung über Strafmaß noch diese Woche

Nel hatte Pistorius wegen Mordes angeklagt. Damit hatte er sich jedoch nicht durchsetzen können. Die Richterin befand, dass für Mord keine hinreichenden Beweise vorgelegt worden seien. Sie akzeptierte die Version des beinamputierten und auf Prothesen laufenden Sprinters, wonach er die Person hinter der Toilettentür für einen Einbrecher gehalten habe. Jedoch sei die Abgabe mehrerer Schüsse absolut fahrlässig gewesen.

Pistorius, der am Morgen in einem dunklen Anzug mit weißem Hemd und dunklen Schlips erschien, folgte der Verhandlung mit versteinerter Mine. Meistens hielt er seinen Kopf gesenkt. Er war in Begleitung von Cousins zum Gericht gefahren. Sie schirmten ihn am Eingang von der Zuschauermenge ab.

Die Richterbank wurde am Montag von vier Polizisten – zwei auf jeder Seite – bewacht. Erstmals mussten alle Teilnehmer und Zuschauer der Verhandlung durch einen Metalldetektor gehen. Zuvor hatte es Drohungen sowohl gegen Pistorius, als auch die Richterin gegeben.

Welches Strafmaß Richterin Masipa festlegen wird, ist auch nach dem Schlagabtausch vom Montag offen. Es sei zwar klargeworden, dass die Verteidigung Kurs genommen habe „auf eine Strafe ohne jegliche Zeit im Gefängnis“, sagte der südafrikanische Rechtsexperte William Booth im Sender eNCA. „Doch beide Seiten verfügen über starke Argumente.“ Er wies unter anderem auf den gezielten Einsatz einer Waffe durch Pistorius hin.

Die Entscheidung werde die Richterin wohl bis Ende der Woche fällen, sagte der Sprecher der Nationalen Strafverfolgungsbehörde (NPA) Südafrikas, Nathi Mncube. Unklar ist, ob Pistorius im Falle einer Haftstrafe sofort ins Gefängnis muss. Bislang ist er auf Kaution frei. Möglich wäre, dass Staatsanwaltschaft oder Verteidigung Berufung einlegen. Dann könnte Pistorius bis zur Verhandlung vor einer höheren Instanz weiter gegen Kaution in Freiheit bleiben.