Es ist ein Alptraum für Reisende: Piloten und Lokführer könnten bald schon wieder streiken – und zwar umfangreicher als bisher. Lösungen am Verhandlungstisch scheinen in weite Ferne zu rücken.

Berlin/Hamburg. Bei der Lufthansa und Deutschen Bahn müssen sich Reisende in den kommenden Wochen auf massive Ausfälle und Verzögerungen gefasst machen. Nach erneut gescheiterten Gesprächen mit den Gewerkschaften von Piloten und Lokführern drohen die beiden Tarifkonflikte zu eskalieren: Nun könnten auch deutlich längere oder sogar unbefristete Streiks in der Luft und auf der Schiene bevorstehen. Konkrete Zeiträume stehen allerdings noch nicht fest.

Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wurden nach Angaben des Unternehmens und der GDL am Donnerstag in Berlin abgebrochen. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber kritisierte in einer Mitteilung, die GDL habe sich „nicht einen einzigen Millimeter“ bewegt. Die Gewerkschaft zeige keinerlei Interesse an einer Verständigung.

Die GDL erklärte am Abend ihrerseits, sie habe das Scheitern der Tarifverhandlungen erklärt, weil die Bahnführung sich nicht bewegt habe. Vielmehr nehme sie bewusst weitere Streiks in Kauf. Die Bahn habe erneut als Vorbedingung die Tarifeinheit gestellt. „Damit hat die Deutsche Bahn die letzte Chance vertan, um Arbeitskämpfe abzuwenden“, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky in einer Stellungnahme.

Die GDL will auch für Zugbegleiter und weiteres Personal verhandeln, das bislang die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten hat. Sie seien aber nicht bereit, sich weiter der Hausgewerkschaft EVG zu unterwerfen, erklärten die Lokführer-Vertreter. Schließlich hätten 51 Prozent des Zugpersonals die GDL beauftragt, sich für die notwendigen Verbesserungen der Arbeits- und Einkommensbedingungen einzusetzen.

Bahn-Vorstand Weber dagegen, die Bahn hätte sich diesmal einverstanden erklärt, „ohne Vorbedingungen über alle Forderungen für Lokomotivführer bilateral mit der GDL zu verhandeln“. Auch sei man bereit gewesen, über Wege zu sprechen, wie mit der GDL ein Tarifvertrag für die Zugbegleiter erreicht werden könne.

Lokführer entscheiden bis Donnerstag über Streik

Nach wochenlanger Funkstille im festgefahrenen Bahn-Tarifkonflikt hatten sich der Staatskonzern und die Lokführer wieder an einen Tisch gesetzt. Nach bisher zwei Warnstreiks entscheiden die Lokführer bis zum 2. Oktober in einer Urabstimmung darüber, ob sie wieder die Züge stehen lassen. Als nächstes könnte dann nach früheren Beteuerungen auch ein unbefristeter Streik angekündigt werden. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn und eine kürzere Wochenarbeitszeit.

Zuvor hatte am Vormittag die Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) die gerade erst wieder aufgenommenen Tarifgespräche mit der Lufthansa für gescheitert erklärt und weitere Streiks angekündigt, ohne dafür einen Termin zu nennen. Die VC will ihre Arbeitskampfmaßnahmen zwar weiterhin „jeweils vorher“ der Öffentlichkeit bekanntgeben, nennt dafür aber nicht mehr wie bislang eine Frist von 24 Stunden.

Erst vor zehn Tagen hatte die Pilotengewerkschaft die bereits geplante fünfte Welle des Ausstands kurzfristig abgesagt und neue Verhandlungen mit dem Unternehmen zu den Übergangsrenten der rund 5400 betroffenen Flugzeuglenker aufgenommen. Dreimal waren seitdem die Kommissionen zusammengekommen und am Dienstag dieser Woche unverrichteter Dinge auseinandergegangen, hieß es aus Unternehmenskreisen.

Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens warf der VC vor, nicht an einer partnerschaftlichen Lösung der Probleme interessiert gewesen zu sein. Beim Teilprojekt „Jump“ für kostengünstigere Langstreckenflüge unter der Marke Lufthansa hätten sich die Piloten als einzige nicht zu entsprechenden Regelungen bereitgefunden. Lufthansa wolle nun „im Rahmen der geltenden Tarifregelungen“ andere Piloten in die Cockpits setzen. Nach Einschätzung von Beobachtern kommen dafür Leiharbeiter oder Piloten über Leasing-Modelle infrage.

Nach einer Urabstimmung zu den Übergangsrenten hat die VC seit April in bislang vier Streikwellen 4300 Flüge mit rund 480 000 betroffenen Passagieren ausfallen lassen. Eine fünfte Welle war am Montag vergangener Woche abgesagt worden, nachdem die Lufthansa nach ihren Angaben ein modifiziertes Angebot vorgelegt hatte.