„Die geplante Krankenstation wird niemandem helfen.“ Deutschland rede nur und tue zu wenig gegen Ebola, so die Ärzte. Dramatischer Anstieg der Infizierten-Zahl.

Berlin/Dakar/Hamburg. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat der Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel angesichts der Ebola-Epidemie in Westafrika Untätigkeit vorgeworfen. Deutschland werde seiner Verantwortung „in keinster Weise gerecht“, erklärte der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Florian Westphal. Bundeskanzlerin Merkel hatte mehr Hilfe für das Ebola-Gebiet angekündigt und gesagt, sie glaube, damit der deutschen Verantwortung gerecht zu werden. Die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Ärzte-Organisation teilte mit, die geplante Krankenstation werde ohne qualifiziertes Personal wirkungslos bleiben „und niemandem in Westafrika helfen“.

Nach einem Hilferuf der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf unter anderem an Deutschland hatte die Bundesregierung Unterstützung für Hilfsorganisationen sowie bei Flugtransporten in die Region angekündigt. Zudem werde die Lieferung von Krankenstationen geprüft, sagte eine Regierungssprecherin.

„Unsere Kollegen in den betroffenen Ländern sind am Ende ihrer Kräfte. Sie haben es mittlerweile mehr mit Toten, als mit Lebendigen zu tun“, sagte Ärzteaktivist Tankred Stöbe. Er forderte insbesondere die Verlegung von militärischen Anti-Seuchen Einheiten in das Krisengebiet. Auch die Grünen-Fraktion im Bundestag sowie der Berliner Landesverband der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) forderten Berlin auf, mehr zu tun.

Wie die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise berichtete kommen am Freitag die Staatssekretäre der Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Gesundheitsministerien zusammen. Dabei solle entschieden werden, ob Deutschland noch mehr Geld für den Kampf gegen die Seuche zur Verfügung stellt und wie die Bundeswehr helfen könne. Deutschland stellte bislang zwölf Millionen Euro zur Verfügung, darunter zehn Millionen aus dem Etat des Entwicklungsministeriums für die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft sieht auch Folgen für deutsche Firmen. In den betroffenen Ländern seien „negative Effekte auf den Handel und das Projektgeschäft deutscher Firmen“ zu beobachten, sagte Hauptgeschäftsführer Christoph Kannengießer dem „Handelsblatt“.

Neben Liberia sind Sierra Leone und Guinea besonders stark von der Epidemie betroffen, an der laut der WHO inzwischen mehr als 2460 Menschen gestorben sind. Am Freitag soll in Sierra Leone eine dreitägige Ausgangssperre verhängt werden. Am Donnerstag sollte sich der Uno-Sicherheitsrat mit der Seuche befassen. Es wurde die Annahme einer Resolution erwartet, in der die Staatengemeinschaft zu konkreten Maßnahmen aufgefordert wird.

Testprogramm für Impfmittel gegen Ebola in Oxford

Das US-Repräsentantenhaus gab weitere 88 Millionen Dollar (68 Millionen Euro) für die Bekämpfung der Ebola-Epidemie frei. Die Zustimmung des Senats könnte am Donnerstag erfolgen. US-Präsident Barack Obama will unter anderem 3000 Militärangehörige nach Westafrika entsenden. London kündigte an, noch im September 700 Behandlungsbetten in Sierra Leone einzurichten. Dabei solle auch militärisches Personal helfen.

An der Universität Oxford begann ein Testprogramm bei dem die erste von 60 Versuchspersonen ein Impfmittel gegen Ebola verabreicht bekam. Dieses enthält Genmaterial des Virus und soll das Immunsystem zur Antikörper-Produktion anregen. Bei erfolgreichen Tests könnte der Impfstoff laut WHO im November zum Einsatz kommen. Erstmals seit Ausbruch der Epidemie wurde eine infizierte Französin aus Liberia in Frankreich zur Behandlung erwartet.

Welthungerhilfe: Ebola kann zu Hungersnot führen

Die Welthungerhilfe warnte, dass die Epidemie in Sierra Leone zu einer Hungerkatastrophe führen könnte. Einer Mitteilung zufolge gehen die Nahrungsmittelvorräte in den besonders betroffenen Gebieten zuneige. Zugleich sei der Handel und Warenverkehr eingebrochen, während weniger als die Hälfte der Felder noch bewirtschaftet werde.

Das Auswärtige Amt stellt derweil weitere fünf Millionen Euro zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie bereit. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am Donnerstag: „Die Lage in den von Ebola betroffenen Staaten ist dramatisch. Das Ebola-Virus breitet sich in Westafrika weiter aus. Ein Ende der Notlage ist nicht in Sicht.“

Innerhalb einer Woche sind in Westafrika mehr als 700 neue Fälle dazugekommen, teilte die Weltgesundheitsorganisation WHO mit. Insgesamt haben sich den Angaben zufolge rund 5300 Menschen mit der Krankheit angesteckt, fast die Hälfte davon in den vergangenen drei Wochen. Ende August lag die Zahl der Neuerkrankungen noch bei rund 500 pro Woche. Auch 318 medizinische Helfer erkrankten an dem Virus. Rund die Hälfte von ihnen starben.