1400 Kinder sollen in Rotherham Opfer sexueller Gewalt geworden sein – Politiker und Polizei schauten offenbar weg. Immer mehr Opfer brechen nun ihr Schweigen - und belasten auch einen Polizisten schwer.

London. Die Namen von Jimmy Savile und Rolf Harris, zwei berühmte BBC-Entertainer, stehen stellvertretend für einen Missbrauchsskandal, der Großbritannien seit drei Jahren erschüttert. Nun ist ein weiterer Name hinzugekommen: Rotherham, die 250.000-Einwohner-Stadt in Yorkshire im Norden Englands. 1400 Kinder sollen dort zwischen 1997 und 2013 Opfer sexueller Gewalt geworden sein – und die Behörden ebenso wie Politik schauten wider besseres Wissen weg.

Die Polizei half ebenfalls nicht - ein Polizeibeamter soll sogar selber als Täter in Erscheinung getreten sein. Ein 27-jähriger Polizist sei bereits im November vergangenen Jahres festgenommen und am 21. August angeklagt worden, teilte die Polizei von South Yorkshire mit. Er sei am Donnerstag vor Gericht erschienen. Dem Mann werde vorgeworfen, ein 15 Jahre altes Mädchen zu sexuellen Handlungen genötigt zu haben.

Ein am Dienstag veröffentlichter Untersuchungsbericht machte deutlich, dass in der Stadt zwischen 1997 und 2013 rund 1400 Kinder und Jugendliche Opfer von sexueller Ausbeutung geworden sind. Der Bericht erhob schwere Vorwürfe gegen Polizei und Jugendbehörden, die zugeschaut und die Schilderungen der jungen Mädchen nicht ernst genommen hätten.

Am Donnerstag hatten weitere der 1400 Opfer öffentlich über die Taten gesprochen. Sie berichteten, wie sie von älteren Männern sexuell ausgebeutet wurden und erzählen von der Tatenlosigkeit der Polizei angesichts der Verbrechen.

Eine Anwaltskanzlei, die einige Opfer vertritt, hat Schadenersatzverhandlungen eingeleitet. Man sei zuversichtlich, außergerichtliche Einigungen mit der Polizei und dem Jugendamt zu erzielen, berichtete die Zeitung „South Yorkshire Times“ am Donnerstag.

Die Anwälte hatten bereits vor der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts am Dienstag 17 Mädchen vertreten, zwei weitere hätten sich nun angeschlossen. „Wir können nachweisen, dass die Kommunalverwaltung und die Polizei Informationen nicht nachgegangen sind, die zur Festnahme von Tätern hätten führen können“, sagte eine der Anwälte der Zeitung.

Andere mutmaßliche Opfer bestätigten diese Darstellung. „Die Polizei sagte, ich lege es ja darauf an, und dass ich mir selbst keine Gefallen tun würde, wenn ich mit diesen Typen abhänge“, berichtete eine heute 22 Jahre alte Frau in der „Sun“ vom Donnerstag. Einer weiteren Frau haben die Ermittler ihren Angaben zufolge nur gefragt: „Und was erwartest du jetzt von uns?“ Sie war damals 16, wie die BBC berichtete.

Zwischen 1997 und 2013 waren in der nordenglischen Stadt mit rund 260 000 Einwohnern etwa 1400 Kinder missbraucht und sexuell ausgebeutet worden. Eine unabhängige Untersuchung hatte das Ausmaß des Skandals am Dienstag öffentlich gemacht und schwere Vorwürfe gegen Kinderschutz-Einrichtungen und die Polizei erhoben.