Die „Ice Bucket Challenge“ hat einen Hype im Internet ausgelöst. Es gibt aber Personen, die die Aktion ablehnen. Andere Nonprofit-Organisationen überlegen, wie sie auch so viel Aufmerksamkeit erreichen.

Hamburg/New York. Tausende Menschen schütten sich vor laufender Kamera einen Eimer Eiswasser über den Kopf und machen damit auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam: Mancher mag die sogenannte Ice Bucket Challenge für puren Blödsinn halten, aber sie ist eine der erfolgreichsten Social-Media-Kampagnen für gute Zwecke überhaupt. Mehr als 50 Millionen Dollar nahm die ALS Association schon ein – eine Zahl, die auch andere Hilfsorganisationen grübeln lässt, wie sie künftig jüngere Spender erreichen.

Es gibt jedoch nicht nur Befürworter für die Aktion. Jüngstes Beispiel ist die Hamburgerin Linda Zervakis, die sich auf ihrer Facebook-Seite als „Spalter der Nation“ bezeichnet, da sie die Challange ablehnte. Nominiert wurde sie von Yared Dibaba. Die Nachrichtensprecherin von ARD-Aktuell hat zwei Gründe, warum sie die Challange ablehnt. Zum einen ist sie schwanger.

Zum anderen finde sie „angesichts der Tatsache, was sonst noch so auf der Welt los ist“, dass auch an anderen Hilfsbedürftige gespendet werden könnte. Die Aktion an sich, so auf eine Krankheit aufmerksam zu machen und Tausende Menschen damit zu erreichen, finde sie „klasse“. Sie freue sich auch für die Betroffenen. Aber sie „spende lieber still und leise“, sagt Zervakis.

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Auch Pamela Anderson lehnte die Challange ab und forderte daraufhin von der ALS Association, dass auf Tierversuche verzichtet werden sollte, die von der ALS Association finanziert werden sollen.

Andere Organisationen hätten gerne ähnlichen Hype

Andere Nonprofit-Organisationen sehen die Ice Bucket Challenge auch als Vorbild. Die Ice Bucket Challange zeige, dass es in Ordnung sei, für einen guten Zweck auch mal etwas Verrücktes zu tun, erklärt Brian Mittendorf, Professor an der Ohio State University, der Seminare zu Nonprofit-Organisationen gibt. „Normalerweise sucht man Menschen, die leidenschaftlich hinter einer Sache stehen, und bittet sie um Spenden oder darum, andere aufzuklären und Geld zu sammeln“, sagt Mittendorf. Die Ice Bucket Challenge sei dagegen einfach lustig. „Die Menschen nehmen teil, informieren sich und spenden.“

Tausende Menschen, darunter Prominente wie Taylor Swift und Oprah Winfrey oder in Deutschland Helene Fischer und Matthias Schweighöfer, haben sich schon eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet, Videos davon ins Internet gestellt und andere herausgefordert, es ihnen nachzumachen – oder an die ALS Association zu spenden, die Geld für die Erforschung von ALS sammelt. Seit 29. Juli kamen so mehr als 53,3 Millionen Dollar von 1,1 Millionen neuen Spendern zusammen, wie die Organisation mitteilte.

Die rasche Verbreitung der Challenge und der große Erfolg haben den Verband überrascht. „Diese Spendenbereitschaft ist etwas, das wir in diesem Land glaube ich noch nie gesehen haben, mit Ausnahme von Katastrophen“, erklärt die Sprecherin der ALS Association, Carrie Munk. „Wir hatten keine Ahnung, dass es so weit kommen würde.“

Wer genau für diesen überwältigenden Erfolg verantwortlich ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Manche behaupten, es habe mit den Freunden eines 29-jährigen ALS-Patienten aus Boston begonnen, die sich gemeinsam der Challenge gestellt hätten. Auf jeden Fall zeigt sich, dass auch der Durchschnittsbürger eine Menge erreichen kann.

„Was wir mitnehmen können, ist auf jeden Fall, dass Einzelne, die voll hinter einer Sache stehen, etwas bewegen“, erklärt Munk. „Ich bin ziemlich sicher, dass ein Unternehmen oder eine Organisation mit allem PR-Geld der Welt niemals eine so erfolgreiche Kampagne auf die Beine gestellt hätte.“

Lucretia Gilbert ist Geschäftsführerin der Organisation The Pink Agenda, die Geld für die Brustkrebsforschung sammelt. Sie glaubt, dass nun auch andere gemeinnützige Gruppen ermutigt werden, kreativ in den sozialen Medien für sich zu werben. Die Ice Bucket Challenge „ist eine sehr einfache Sache und das ist das Schöne daran“, erklärt sie. „Jeder kann teilnehmen.“

Der Gedanke, neue Technologien zum Eintreiben von Spenden zu verwenden, ist nicht neu. Schon 1966 startete die amerikanische Muscular Dystrophy Association ihren ersten TV-Spendenmarathon, der sich über das gesamte Labor-Day-Wochenende hinzog und bis heute jährlich im Programm ist. Im vergangenen Jahr kamen 59,6 Millionen Dollar zusammen. In jüngster Zeit bieten einige Organisationen auch an, mit dem Absenden einer SMS zu spenden.

Nun könnte die Eiswasser-Aktion neue Impulse bringen. Mindy Bailey von der Stiftung JDFR gegen Diabetes erklärt, Freiwillige arbeiteten bereits an ähnlichen Ideen. „Viele Leute melden sich und sagen 'Hey, wir machen auch eine Ice Bucket Challenge“, sagt sie. „Kürzlich kam eine Frau und meinte 'Ich denke an etwas mit einem Kuchen im Gesicht'.“

Allerdings kann sich nicht jeder für die Eiswasser-Herausforderung begeistern. Das ist auf Twitter zu beobachten unter dem Hashtag #NoIceBucketChallenge. „Mir erscheint das einfach blödsinnig und zu laut und ein heißer Trend und Teil dieser ganze Ich-Kultur“, erklärt Cameron Mitchell aus New York. „Der gemeinnützige Teil ist eher zweitrangig.“

Manche Kritiker stören sich sogar am Wasserverbrauch durch die Ice Bucket Challenge. Schließlich dürfe besonders in trockenen Gebieten wie Kalifornien Wasser nicht einfach so verschwendet werden. Das sieht aber sogar die Kalifornische Wasserverwaltung anders: Mit der Aktion verstoße niemand gegen Vorschriften. „Wir verstehen, dass das eine gemeinnützige Sache ist“, erklärt Sprecher George Kostyroko.

Ob genervt oder beeindruckt – die Ice Bucket Challenge macht von sich reden. Munk von der ALS sagt, selbst wenn die Menschen nicht spendeten, habe die Kampagne die Nervenkrankheit doch ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Ein wichtiges Ziel für die Organisation, die im vergangenen 32 Prozent ihres Budgets für die Aufklärung über ALS ausgab und 27 Prozent für die Forschung.

Noch vor wenigen Jahren hätten nur 50 Prozent der Amerikaner überhaupt gewusst, was ALS sei, sagt Munk. „Wir freuen uns darauf, dass diese Zahl steigt.“