Sieben Minuten langes Video zeigt den Einsatz auf YouTube. Polizeipräsident suspendiert zwei Beamte

New York. Eric Garner war bekannt am Tompkinsville Park im New Yorker Stadtteil Staten Island. Die Anwohner wussten wer er war, genauso wie die angrenzenden Ladenbesitzer. Und auch für die Polizei, die in der Gegend vor allem nach Drogendealern fahndet, gehörte der kräftig gebaute Mann zum alltäglichen Bild. Fast jeden Tag hielt sich der 43 Jahre alte Afroamerikaner in dem kleinen Park auf, vor allem, wenn die Fähre aus Manhattan ankam. Dann witterte der Vater von sechs Kindern ein Geschäft. Garner verkaufte keine Drogen, er vertickte Zigaretten, und zwar unversteuerte.

Dass er das illegal tat, wusste Garner. Doch das Geschäft schien offenbar zu florieren, lukrativ war es auch. Denn während der Bundesstaat New York auf jede mittlerweile fast zwölf Dollar teure Zigarettenpackung eine Tabaksteuer von 4,35 Dollar erhebt, konnte Garner seine Produkte deutlich billiger anbieten. In Pennsylvania, wo viele der illegalen Zigaretten herkommen, liegt die Steuer bei nur 1,60 Dollar. Auch die Behörden wussten von Garners Straßengeschäft. Insgesamt 31 Mal soll er in den vergangenen Jahren verhaftet worden sein, meistens wegen des illegalen Verkaufs von Zigaretten, aber auch wegen Drogenbesitzes und Körperverletzung.

Am vergangenen Donnerstag schien die Polizei erneut genug von Eric Garner zu haben. Nachdem sich ein Ladenbesitzer zum wiederholten Mal über den illegalen Straßenhändler beschwert hatte, schlugen die Beamten zu. Und das offenbar mit einer Gewalt, die Garner, ein 1,90 Meter großer Hüne, nicht überleben sollte. Ein am Wochenende aufgetauchtes Video des Polizeieinsatzes, das ein Bekannter von Garner mit seinem iPhone machte, hat jetzt zu Protesten geführt und Erinnerungen an andere Fälle von Polizeigewalt geweckt. „Es ist genauso wie bei meinem Anthony“, sagte Iris Baez, deren Sohn 1994 nach einem Routinestopp der Polizei in der Bronx ums Leben gekommen war. Damals wurde der involvierte Beamte zu sieben Jahren Haft verurteilt.

New Yorks Polizeipräsident William J. Bratton, der den Fall als „eine Tragödie für alle Beteiligten“ bezeichnete, kündigte eine „umfassende Untersuchung“ an und suspendierte bis zur Klärung der Vorwürfe zwei der beteiligten Beamten. Die Polizeigewerkschaft nannte den Einsatz „absolut unvertretbar“. Kritik gab es auch an den herbeigerufenen Sanitätern und der Feuerwehr. Vier der Einsatzkräfte wurden wegen unterlassener Hilfeleistung freigestellt. Bürgermeister Bill de Blasio, der wegen der Tragödie seinen Italienurlaub um einen Tag verschoben hatte, drückte der Witwe von Garner, Esaw, und dessen Mutter sein Beileid aus.

Das sieben Minuten lange Video des Bekannten von Garner, das später auf YouTube landete und mittlerweile mehr als 441.000-mal angeschaut wurde, zeigt dabei, wie ein Polizist Garner von hinten packt und in den Würgegriff nimmt. Eine Taktik, die Polizeipräsident Bratton als „verboten“ bezeichnete. Vor dem Angriff hatte es dabei offenbar eine heftige Diskussion zwischen der Polizei und Garner gegeben. „Ich habe nichts verkauft“, ist der illegale Zigarettenhändler auf dem Video zu hören. „Ich mache hier nur mein Ding. Lasst mich doch einfach in Frieden.“

Der Beamte, der später als Daniel Pantaleo identifiziert wird, und vier seiner Kollegen ziehen den schwergewichtigen Garner daraufhin auf dem Gehweg zu Boden. Deutlich zu sehen ist wie einer den Kopf des Angegriffenen nach unten drückt, während die anderen ihn festhalten und ihm Handschellen anlegen. Garner, der unter Asthma leidet, hat Probleme, Luft zu bekommen. „Ich kann nicht atmen, ich kann nicht atmen“, röchelt er immer wieder. Doch die Einsatzkräfte scheinen ihn nicht ernst zu nehmen. Das Video zeigt, wie sie den bereits bewusstlosen Garner durchsuchen und ihm ein Handy und Zigaretten aus der Hosentasche ziehen.

Erst als die Polizisten von ihm lassen, merken sie, dass mit Garner etwas nicht stimmt. Sie rufen den Notarzt und stoßen den bewusstlosen Mann an die Schulter. Doch Garner, der die Augen geschlossen hat, bewegt sich nicht mehr. Sein Kopf liegt regungslos auf dem Boden. Wenige Minuten später tauchen die Sanitäter auf. Doch statt mit Erste-Hilfe-Maßnahmen Garner ins Leben zurückzuholen, schnallen sie ihn auf eine Bahre und fahren ihn in ein Krankenhaus. In der Klinik kommt jede Hilfe zu spät. Als mögliche Todesursache wird Herzinfarkt diagnostiziert, der Gerichtsmediziner hat das aber noch nicht bestätigt. Zeugen glauben, dass Garner an einer „Nackenverletzung und einer Quetschung der Luftröhre“ gestorben sein könnte. „Die Polizisten sollen im Gefängnis sitzen“, forderte der Sohn von Garner, Eric Snipes. „Ich will wissen, warum sie ihn in den Würgegriff genommen haben.“ Kritik an dem Polizeieinsatz gibt es auch von Al Sharpton. „Keiner der Beamten hat gesagt, lasst uns aufhören“, sagte der Schwarzenrechtler auf einer Protestveranstaltung vor 500 Anhängern.