Als die Staatsanwaltschaft Videobilder der sinkenden „Sewol“ zeigte, übermannte der Schmerz die Hinterbliebenen der rund 300 Opfer. Sie brachen angesichts der Bilder in Tränen aus, viele schrien die 15 Angeklagten an.

Gwangju. In dem Prozess um das schwere Fährunglück in Südkorea haben Angehörige der rund 300 Opfer ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. Todesdrohungen und Tränen erfüllten am Dienstag den Gerichtssaal in der südkoreanischen Stadt Gwangju, in dem sich der Kapitän und 14 weitere Besatzungsmitglieder verantworten müssen. Der Schmerz der Hinterbliebenen brach sich Bahn, als die Staatsanwaltschaft Videobilder der sinkenden „Sewol“ zeigte.

Auf den von Rettungshubschraubern und -booten aus aufgenommen Videos war zu sehen, wie Passagiere verzweifelt versuchten, sich aus dem sinkenden Schiff zu retten. Eine Nahaufnahme zeigte, wie sich der Kapitän und andere Besatzungsmitglieder durch einen Sprung ins Meer in Sicherheit brachten. Dutzende Angehörige von Opfern waren im Gerichtssaal anwesend. Sie brachen angesichts der Bilder in Tränen aus, viele schrien die 15 Angeklagten an.

In dem am 10. Juni begonnenen Prozess sind der Kapitän Lee Joon Seok und drei andere ranghohe Crew-Mitglieder wegen fahrlässiger Tötung in besonders schwerem Fall angeklagt, ihnen droht die Todesstrafe. Elf weitere Besatzungsmitglieder müssen sich wegen minder schwerer Verletzungen des Seerechts verantworten.

Der Kapitän und seine Untergebenen sollen die Passagiere auf dem sinkenden Schiff angewiesen haben, zu bleiben, wo sie waren – fast eine Stunde lang harrten die Passagiere somit in ihren Kabinen oder auf ihren Sitzen aus. Die Schiffsführung verließ die Fähre, während hunderte Menschen noch darin festsaßen. Bei dem Unglück am 16. April kamen rund 300 Menschen ums Leben, unter ihnen etwa 250 Schüler einer Schule in Ansan.

Die Staatsanwaltschaft zeigte anhand eines Modells der „Sewol“, wo sich die meisten Passagiere zum Zeitpunkt des Unglücks aufhielten. „Bei einer rechtzeitigen Evakuierung hätten diese Schüler durch diese Ausgänge fliehen können“, sagte einer der Staatsanwälte, während er das Modell erläuterte. „Aber die meisten von ihnen haben in ihren Kabinen gewartet und sind gestorben. Wir werden zeigen, dass dies dem Verhalten der Angeklagten geschuldet ist.“

„Ihr Hurensöhne, ich bringe euch um“, schrie eine Frau in Richtung Anklagebank. Der Vater eines Opfers rief dem Richter zu: „Die Beweise sind eindeutig. Sie alle sind menschlicher Abschaum. Wir sollten sie ertränken.“ Weitere Angehörige schlossen sich den Beschimpfungen an. Eine Frau musste daran gehindert werden, ihre Schuhe auf die Angeklagten zu schleudern.

Später wurden die Gefühle der Angehörigen noch einmal strapaziert, als das Handy-Video eines bei dem Unglück gestorbenen 17-jährigen Jungen vorgeführt wurde. Darin sind Schüler zu sehen, die zunächst lachen und Witze machen, während das Schiff in Schräglage gerät. Sie scherzen, sie befänden sich im „Titanic“-Film. Schließlich breitet sich jedoch Panik aus. Im Hintergrund ist über Lautsprecher die Anweisung der Besatzung zu hören, an Ort und Stelle zu bleiben.

Laut einem am Dienstag veröffentlichten Bericht zu dem Unglück führten Behördenversagen, Korruption und Geldgier zu der Katastrophe. Die Reederei habe den „finanziellen Gewinn über die Sicherheit der Passagiere“ gestellt, die Besatzung habe sich „unverantwortlich“ verhalten, hieß es darin. Der Bericht empfahl Anklagen gegen elf hohe Beamte und Disziplinarverfahren gegen 40 weitere.