Der 55 Jahre alte Geistliche wurde von dem mutmaßlichen Täter wegen eines Gesprächs aufgesucht. Der 30-Jährige ist in der Vergangenheit mehrfach zur Seelsorge gekommen und gilt als psychisch krank.

Freiburg. Tödliches Drama im Pfarrhaus: Ein psychisch kranker Mann hat in Freiburg offenbar während eines seelsorgerlichen Gesprächs einen evangelischen Pfarrer erstochen. Der 30-jährige Tatverdächtige wurde kurz nach der Bluttat am Dienstagabend festgenommen und in eine psychiatrische Einrichtung gebracht, wie Staatsanwaltschaft und Polizei in Freiburg am Mittwoch mitteilten. Er sollte am dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Gemeinde stand unter Schock.

Das Opfer ist der 55-jährige Pfarrer Christof Schorling. Der Theologe hinterlässt eine Frau und drei erwachsene Kinder. Der Superintendent war mit bischöflichen Aufgaben für die gesamte Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden betraut, zu der sieben Gemeinden mit mehr als 3.000 Gemeindemitgliedern gehören. Sie ist eine kleine selbstständige evangelische Kirche neben der badischen Landeskirche mit ihren 1,2 Millionen Mitgliedern.

Zur Tatzeit um 19.30 Uhr hätten sich mehrere Personen im Pfarrhaus befunden, sagte der Stellvertreter Schorlings, Christian Bereuther, dem epd. Die Ermittlungsbehörden teilten mit, es sei im Pfarrhaus im Stadtteil Herdern zunächst zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Täter und dem Pfarrer gekommen. Der Theologe sei mutmaßlich mit einem Stich in die Brust getötet worden.

Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen Mann aus Freiburg, der an einer psychischen Krankheit leidet. Dieser habe in der Vergangenheit bereits mehrfach das seelsorgerliche Gespräch mit dem Pfarrer gesucht. Auch im Laufe des Dienstags soll er wiederholt um ein Treffen mit seinem späteren Opfer gebeten haben. Pfarrer Bereuther sagte, zu der Tat sei es während des seelsorgerlichen Gesprächs gekommen.

„Das ist nicht nur ein Schock für uns, das ist eine Traumatisierung“, sagte Bereuther. Tief betroffen zeigten sich auch der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Jochen Cornelius-Bundschuh, und Synodalpräsidentin Margit Fleckenstein. „Wir können nicht begreifen, wie es zu dieser schrecklichen Tat kommen konnte und bringen unsere Fassungslosigkeit vor Gott“, erklärten sie. Schorling sei ein überaus geschätzter Pfarrer und regelmäßig Gast bei den Tagungen der Landessynode gewesen.

Bereuther, der Pfarrer in Karlsruhe ist, sagte: „Ich habe nun erst mal alle Gemeinden angewiesen, nun ganz für Freiburg da zu sein, da wir ja jetzt ohne Kirchenleitung sind.“ Pfarrer Kai Thierbach von der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Lörrach-Steinen betonte: „Wir stehen alle unter Schock, wir müssen das jetzt erst mal weitergeben und irgendwie verarbeiten.“

Mit „Entsetzen und Fassungslosigkeit“ reagierte auch der Freiburger evangelische Stadtdekan Markus Engelhardt. Er habe Schorling „als sympathischen, klugen und nachdenklichen Kollegen kennen und schätzen gelernt“. Die Tat zeige, dass der Pfarrberuf mit allen Facetten des Menschlichen konfrontiert sei. Gerade Seelsorgerinnen und Seelsorger hätten es immer wieder mit den Abgründen zu tun, die in einem Menschen stecken können, sagte Engelhardt. Es zeige sich auch für den Pfarrberuf, „dass wir alle auf dünnem Eis leben“.

Schorling war seit 1999 als Superintendent der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden tätig. Er studierte Theologie in Oberursel und Heidelberg. Nach dem Vikariat in Dreihausen bei Marburg trat er seine erste Pfarrstelle in Pforzheim an. Schorling war einer der Autoren kirchlicher Worte beim Südwestrundfunk (SWR).

Die evangelisch-lutherische Erlösergemeinde Freiburg gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden (ELKiB). Diese ist im Landesteil Baden eine selbstständige evangelische Kirche neben der Badischen Landeskirche. Die ELKiB entstand ab 1850 in Baden neu, nachdem sie zunächst in der Union zwischen Reformierten und Lutheranern aufgegangen war. Als Mitgliedskirche im „Lutherischen Weltbund“ (LWB) ist sie eine sogenannte synodal verfasste Kirche, in der die Synode das oberste Organ ist.