Die Zahl der Beschwerden bei den Schlichtungsstellen geht zurück. Ärzte wehren sich gegen das Pfuscher-Image. Doch die Patientenvertreter bleiben skeptisch.

Berlin. Behandlungsfehler im Krankenhaus oder beim niedergelassenen Arzt sind wohl eher selten. Angesichts eines rasanten Anstiegs der Behandlungszahlen in den vergangenen Jahren auf aktuell knapp 700 Millionen allein im ambulanten Bereich liegen die festgestellten Fehler laut Bundesärztekammer im Promillebereich.

„Jeder Behandlungsfehler ist einer zu viel, aber ich möchte die Dinge einordnen“, sagte Andreas Crusius, Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen. Crusius präsentierte am Montag die Behandlungsfehlerstatistik für das vergangenen Jahr.

„Wir Ärzte machen Fehler, wir sind aber keine Pfuscher“, betonte Crusius. Ihm gehe es um Transparenz. Die von den Ärztekammern festgestellte Zahl von Behandlungsfehlern ist leicht gesunken. Bei gut einem Viertel (28,3 Prozent) der 7922 Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichterstellen habe 2013 ein Behandlungsfehler vorgelegen. Das waren im vergangenen Jahr 2243 Fälle, 37 weniger als ein Jahr zuvor. 77 Menschen starben im vergangenen Jahr infolge einer falschen Diagnose oder Therapie, hieß es.

Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren wie in den Vorjahren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. Bei Hüftarthrose gab es im Vergleich einzelner Krankheiten die meisten bestätigten Fehler – mit allerdings nur 73 Fällen. Mehr als ein Drittel der Fehler in der Klinik passierte bei Operationen.

Hier können sich Patienten über mögliche Behandlungsfehler informieren

Bei niedergelassenen Ärzten erwies sich die Diagnostik mit über einem Drittel am fehleranfälligsten. Insgesamt führten 58 Prozent der Fehler zu geringen oder mittelschweren Schäden, in 38 Prozent der Fälle blieben die Patienten dauerhaft geschädigt.

Die Gesamtzahl der Behandlungsfehler bleibt im Dunkeln

Allerdings sind die vorgelegten Zahlen nicht repräsentativ, wie der Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Johann Neu, einräumte. Die Gesamtzahl der Behandlungsfehler sei nicht bekannt, sagte Rechtsanwalt Neu bei der Präsentation der Zahlen.

Mögliche Behandlungsfehler werden nicht nur von den zuständigen Kommissionen der Ärztekammern untersucht. Auch der Medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen (MDK) führt eine eigene Statistik, ebenso wie manche Haftpflichtversicherer. Laut MDK wurden 2013 rund 14.600 Gutachten erstellt und dabei knapp 3700 Behandlungsfehler festgestellt. Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern registrierten wegen möglicher Behandlungsfehler im vergangenen Jahr 12.173 Anträge von Patienten (2012: 12.232).

„Lange Arbeitszeiten erhöhen die Fehlerwahrscheinlichkeit“

Als mögliche Ursache für Behandlungsfehler nennt Crusius überlange Arbeitszeiten und den ständig wachsenden Behandlungsdruck. Dabei kritisierte er auch die Rendite-Erwartungen mancher privater Krankenhausträger.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sprach von wachsender „Arbeitsintensität in deutschen Kliniken und Praxen“. Lange Arbeitszeiten und ständiger Leistungsdruck erhöhten die Fehlerwahrscheinlichkeit, sagte Montgomery in der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“.

Für die Deutsche Stiftung Patientenschutz macht es sich die Bundesärztekammer mit dem Verweis auf den Leistungsdruck zu einfach. Solide Zahlen lägen nicht vor. So wiesen beispielsweise Einrichtungen mit hohen Fallzahlen etwa bei Gelenk-Operationen eine geringere Fehlerquote auf. Die Stiftung forderte die Bundesregierung daher auf, ein Zentralregister für Behandlungsfehler zu schaffen. Bislang sei nur die Spitze des Eisbergs bekannt.

Laut Sozialverband VdK wenden sich viele mangels Vertrauen weder an die Ärzteschaft noch an die Kassen – und scheuen Gerichtsverfahren wegen der Kosten. „Im Ergebnis führt das dazu, dass die Patienten nicht zu ihrem Recht kommen“, sagte Präsidentin Ulrike Mascher.