Der knapp zwei Jahre alte Junge war Temperaturen von bis zu 65 Grad ausgesetzt. Das Kind hatte in der brütenden Hitze im Inneren des SUV keine Überlebenschance.

Atlanta. Eigentlich sollte es ein ganz normaler Tag im Leben von Justin Ross Harris werden. Der 33 Jahre alte Manager des Heimwerkermarktes Home Depot hatte sich von zu Hause in Marietta, einem Vorort von Atlanta (Bundesstaat Georgia), wie jeden Morgen von seiner Frau verabschiedet und sich zusammen mit seinem Sohn Cooper auf den Weg zur Arbeit gemacht. Den 22 Monate alten Jungen hatte er auf der Rückbank seines Hyundai Tuscon sicher im Kindersitz festgeschnallt. Harris wollte ihn unterwegs in einer Tagesstätte abgeben, bevor er seinen Dienst begann.

Doch in dem Hort warten die Betreuer an diesem Morgen vergeblich auf den kleinen Cooper. Sieben Stunden später ist der Junge tot. Harris hatte nicht nur vergessen, ihn in der Tagesstätte abzugeben. Der offenbar in Gedanken an seine Arbeit versunkene Vater ließ ihn auch auf einem Parkplatz im Wagen zurück – in der prallen Sonne. Das Thermometer in Atlanta zeigte an diesem Tag knapp 32 Grad Celsius. Und im Wagen waren die Temperaturen um ein Vielfaches höher. Der kleine Cooper starb an einem Hitzschlag. Er hatte in der brütenden Hitze im Inneren des SUV keine Überlebenschance.

Denn als Harris seinen Fehler bemerkte, waren bereits sieben Stunden vergangen und der Vater bereits auf dem Heimweg. Er hatte seinen Sohn noch nicht einmal gesehen, als er nach der Arbeit in sein parkendes Auto eingestiegen war. Erst auf dem Highway, bei einem zufälligen Blick in den Rückspiegel, sah er den leblosen Körper. In Panik nahm Harris die nächste Abfahrt und stoppte auf einem Parkplatz eines Einkaufzentrums. Dort versuchte er verzweifelt mit Erste-Hilfe-Maßnahmen, seinen Sohn wieder zum Leben zu erwecken. Vergeblich.

„Was habe ich nur getan, was habe ich nur gemacht?“, soll er dabei laut Augenzeugen die ganze Zeit gebrüllt haben. „Ich habe meinen Sohn getötet.“ Dann alarmierte er den Notarzt. Doch auch der konnte für den blonden Cooper nichts mehr tun. Der keine zwei Jahre alte Junge wurde noch auf dem Parkplatz für tot erklärt. Vater Harris bekam daraufhin einen Schreianfall, tobte und wollte es nicht wahrhaben. Um ihn zu beruhigen, mussten ihm Polizisten Handschellen anlegen.

Laut Polizeibericht müssen in dem parkenden Auto in kurzer Zeit die „Temperaturen auf 55 bis 65 Grad Celsius“ gestiegen sein.

Ein tragischer Fehler eines offenbar gestressten Vaters? Oder ein Verbrechen, gar ein Mord? Justin Ross Harris wurde kurz nach dem Tod seines Sohnes verhaftet und von der Staatsanwaltschaft wegen schwerer Kindesmisshandlung und Mordes angeklagt. Richter John Strauss von einem Gericht in Atlanta lehnte bei einer ersten Anhörung wegen der Schwere des Falles eine Freilassung auf Kaution ab. Er ordnete eine Autopsie des Jungen an. Bis zur nächsten Verhandlung am 15. Juli muss Harris in Untersuchungshaft bleiben.

„In einem solchen Fall von schwerer Kindesmisshandlung mit Todesfolge ist eine Anklage wegen Mordes absolut angebracht“, sagte Staatsanwalt Vic Reynolds. Es sei ein furchtbar tragischer Fall, der die ganze Gemeinde erschüttere. Reynolds zeigte aber auch Mitgefühl für die Eltern. „Ich kann mir nicht im Entferntesten vorstellen, durch was sie gerade gehen. Eine schreckliche Situation.“

„Das sind wirklich sehr, sehr nette Leute“, sagte ein erschütterter Joe Saini. Er hatte der Familie Harris nach ihrem Umzug von Alabama nach Georgia vor zwei Jahren die Wohnung vermietet, in der sie noch heute leben. „Alles schien für das Paar gut zu laufen, auch finanziell. Der Vater wollte schon bald ein Haus kaufen, damit sie mehr Platz hätten und der Sohn im Garten spielen könne.“

Die Fall in Atlanta ist dabei bereits die zweite Tragödie in dieser Woche, bei der ein Kind in einem überhitzten Auto ums Leben gekommen war. Erst vor wenigen Tagen war in Rockledge, Florida, ein neun Monate altes Baby in einem Wagen gestorben. Auch hier war ein Vater zur Arbeit gegangen und hatte das Kind ganz offensichtlich vergessen. Bisher wurde gegen den 31 Jahre alten Mann aber noch keine Anklage erhoben. Der Fall wird gerade von den Behörden untersucht.

Insgesamt, so weiß die gemeinnützige Organisation KidsandCars.org, sind in diesem Jahr bereits 14 Kinder durch einen Hitzschlag im Auto gestorben. Im vergangenen Jahr waren es 43. Dabei werden die vergesslichen Eltern nicht immer für ihren tragischen Fehler auch bestraft. Wie die „Washington Post“ in einer umfangreichen Untersuchung schreibt, werde in 40 Prozent der Fälle gegen Mütter oder Väter nicht weiter ermittelt. Und nur in 60 Prozent gebe es wegen eines Verbrechens auch ein Gerichtsverfahren.