Giovanni Battista Bugatti galt als Meister aller Klassen: Axt und Knüppel, Vierteilung und Strang, „in jeder Art der Hinrichtung gleichermaßen bewandert“, schrieb bewundernd ein Chronist, Alessandro Ademollo. Heute vor 150 Jahren ging er in Pension.

Rom. Das Schlimmste war nicht der Tod. Schlimm wäre der Verlust des Ewigen Lebens. Damit mochte sich Giovanni Battista Bugatti getröstet haben, wenn er wieder jemanden köpfte. Solange der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, konnte der Verurteilte auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen. Für beides, Recht auf Erden und Hoffnung auf einen erbarmenden Gott, stand der Papst. Er war sein Dienstherr. Bugatti, genannt Mastro Titta, war sein Henker.

Hinrichtungen hatten Tradition im päpstlichen Rom. In der lotterlebigen Renaissance suchte Sixtus V. (1585-1590) das Verbrechen mit einer Null-Toleranz-Politik niederzuhalten. Trotz aller Strenge hielten sich Exekutionen im Rahmen. Erst in napoleonischer Zeit nahmen sie stark zu. Europa war in Gärung, der Kirchenstaat in Unruhe. Mit der Inquisition hatten die Prozesse nichts zu schaffen; gewöhnlich ging es um schnöde Mörder und Straßenräuber.

Vielleicht war es der eigene Wunsch nach Sicherheit und Ordnung, der Bugatti zum Vollstrecker werden ließ. Gerade 17 war er, als er das erste Mal jemanden richtete: einen Verwandtenmörder in Valentano am 22. März 1796. Er schlug ihn mit einer Keule tot. Von da an waren Todesstrafen seine Lebensaufgabe. „Meister der Gerechtigkeit“, „Maestro di Giustizia“ lautete sein stolzer Titel, den die Römer zum albernen „Mastro Titta“ verballhornten und Kinder für einen Aufzählreim benutzten: „Sega, sega, Mastro Titta“ – „Säge, säge, Meister Titta“.

Bugatti galt als Meister aller Klassen: Axt und Knüppel, Vierteilung und Strang, „in jeder Art der Hinrichtung gleichermaßen bewandert“, schrieb bewundernd ein Chronist, Alessandro Ademollo. Wenn Richttag war, verließ Bugatti sein Haus im Borgo Sant'Angelo 120, wo er als Schirmdekorateur arbeitete, und schritt im scharlachroten Mantel zur Piazza di Ponte Sant'Angelo, zur Piazza del Popolo oder in die Via dei Cerchi. „Mastro Titta kommt über die Brücke“ wurde zum geflügelten Wort dafür, dass bald Köpfe rollen.

Vor allem aber sollte das Blutgericht moralische Lehrstunde sein. Eltern brachten ihre Kinder mit und verabreichten ihnen eine Ohrfeige, wenn der Schlag fiel, zur Ermahnung. Von 1816 an verloren die Hinrichtungen ihre archaische Brutalität. Bugatti bekam vom Papst ein Schafott. Es existiert noch heute: Imposante drei Meter hoch, ist es das Prunkstück des kleinen Museo Criminologico, in das sich selten ein Tourist verirrt.

Pius VI. (1775-1799) war auf die neue Erfindung anfangs nicht gut zu sprechen. Das rührte daher, dass sie aus Frankreich stammte und so mit der unseligen Revolution wie auch mit seiner eigenen Demütigung als Gefangener Napoleons verknüpft war. Erst Pius VII. (1800-1823) ließ sich von der Effizienz und Humanität der Guillotine überzeugen. Als erster starb darunter Tommaso Borzoni, verurteilt wegen Mordes und Raubes, am 2. Oktober 1816. Seither betätigte Bugatti Hunderte Male den Mechanismus.

516 Verurteilte brachte Bugatti im Lauf seines Lebens vor den Ewigen Richter. Jeden einzelnen schrieb er in ein Büchlein. Bugatti war gewissenhaft; schließlich diente er einer höheren Gerechtigkeit. Keine Rachsucht, keine Lust am Töten sollte sein Tun beflecken. Nie ging er zu Werke, ohne zu beichten und die Heilige Kommunion zu empfangen.

Wie Bugatti die strafende Hand war, so gab es auch eine segnende: Priester und fromme Bruderschaften begleiteten den Delinquenten, Kreuze und Tragaltäre stellten ihm, da er sein irdisches Leben verlor, die Hoffnung auf das ewige vor Augen. Sogar an Gottesdienste zur Verkürzung der jenseitigen Buße dachte man: Während der Hinrichtung sammelten Helfer mit Spendenbüchsen Almosen für Seelenmessen.

Auch Mastro Titta konnte nicht verhindern, dass er zur bizarren Attraktion wurde: Ausländische Reisende wie Lord Byron und Charles Dickens beschrieben ihn teils mit Spott und Befremden. Als er 85 wurde, hatte er über fast sieben Jahrzehnte sechs Päpsten gedient. War die Welt besser geworden? Sein Exekutionsverzeichnis, die „Annotationes“, schließt mit dem Eintrag: „Hier endet die Liste Bugattis. Möge die seiner Nachfolger kürzer sein.“ Am 17. Juli 1864 entließ ihn Pius IX. (1846-1878) in den Ruhestand, versehen mit einer Rente von 30 Scudi monatlich. Sein Gehilfe führte sein Werk fort.