So skurril sind die Regeln beim Mega-Event in Kopenhagen. Was man zum ESC wissen muss: Wie läuft das Voting, was sagt Helene Fischer von der Reeperbahn, wann steht der Sieger fest?

Kopenhagen/Hamburg. Jetzt geht die Party richtig los: Nur noch wenige Stunden bis zum Finale des ESC in Kopenhagen – und auf der Reeperbahn in Hamburg. Über Conchita Wurst, Elaiza, die Ukraine, Russland und Helene Fischer (liest die deutschen Punkte vor) ist alles gesagt. Von 20.15 Uhr an stehen der Spielbudenplatz auf St. Pauli und Kopenhagen im Fokus der Feierwütigen in Deutschland und Europa. Was früher Grand Prix Eurovision de la Chanson genannt wurde, heißt heute Eurovision Song Contest.

Und diese Show ist auch politisch: Der frühere Boxweltmeister und Politiker Vitali Klitschko hat zur Unterstützung der ukrainischen Kandidatin Maria Yaremchuk („Tick-Tock“) aufgerufen. „Musik hat genauso wie Sport die Kraft, Menschen zu einen. In dieser historischen Situation für die Ukraine wäre es ein tolles Zeichen, wenn die europäischen Zuschauer die ukrainische Kandidatin besonders unterstützen“, sagte Klitschko der „Bild“-Zeitung.

Angesichts des Ukraine-Konflikts hatten im Halbfinale am Dienstagabend Pfiffe und Buhrufe aus dem Publikum die russischen Kandidatinnen Tolmatschewy Sisters begleitet.

Doch wie war das noch mal mit dem Procedere beim ESC, mit dem Abstimmen? Welchen Einfluss hat die Jury? Wer ist Favorit und wann steht der Sieger fest? Das Hamburger Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:

Wer macht mit?

Dieses Jahr sind 37 Staaten dabei, von denen 26 im Finale übrig sind. Während Dauerabstinenzler wie Luxemburg hartnäckig fernbleiben, reisten dieses Jahr immerhin wieder Kandidaten zum Beispiel aus Polen und Portugal an, wegen Geldmangels haben aber Bulgarien, Serbien oder auch Zypern ihre Teilnahme ausgesetzt. Alle 37 ESC-Teilnehmer dürfen im Finale ihre Punkte vergeben, auch diejenigen, die bereits in den Halbfinals ausgeschieden sind.

Wer ist Favorit?

Favorit in diesem Jahr ist schon wieder Schweden (wie 2012 – der ESC läuft womöglich Gefahr, zur Skandinavien-Show zu werden). Chancen auf Plätze ganz vorn haben auch Österreich, die Niederlande, Großbritannien, Ungarn, die Ukraine und Armenien. Und natürlich gilt: Der ESC ist immer für eine Überraschung gut. Und die könnte die österreichische Dragqueen mit Vollbart namens Conchita Wurst werden, die einen James-Bond-Film-artigen Song („Rise Like A Phoenix“) singt.

Was kann Deutschland erwarten?

Laut einer YouGov-Umfrage für die dpa gehen nur zwei Prozent der Menschen in Deutschland von einem Sieg aus, 46 Prozent erwarten eine Top-Ten-Platzierung, 48 Prozent keinen Platz unter den ersten Zehn, vier Prozent den letzten Platz.

Und was macht Produzent und Komponist Ralph Siegel?

Beim Zwergstaat San Marino ist das deutsche Grand-Prix-Urgestein Ralph Siegel („Ein bisschen Frieden“) als Komponist mit von der Partie. Valentina Monetta singt sein Lied „Maybe“.

Wer moderiert?

Mit Pilou Asbæk hat sich Danmarks Radio einen recht bekannten Schauspieler („Borgen – Gefährliche Seilschaften“) als Gastgeber gesichert. Gemeinsam mit den DR-Moderatoren Nikolaj Koppel und Lise Rønne führt er lässig durch die Show. Fürs deutsche Publikum kommentiert wieder Peter Urban mit sanfter Stimme.

Wie ist die Bühne?

Die High-Tech-Bühne in einer früheren Werfthalle wartet mit Wow-Effekt auf: Millionen Dioden und mehr als 1000 Quadratmeter LED-Bildschirme lassen für jeden Finalisten eine andere Kulisse entstehen.

Wer sorgte vorab für Schlagzeilen?

Als zickig gerierte sich Mit-Favorit Aram MP3 aus Armenien, der mit den Worten zitiert wurde, er finde Conchita Wurst „nicht normal“, man könne Wurst hoffentlich helfen, „sich zu entscheiden, ob sie eine Frau oder ein Mann ist“. Er entschuldigte sich später halbherzig dafür und sagte, man habe ihn falsch übersetzt. Conchita Wurst, hinter der eigentlich der in Wien lebende Tom Neuwirth steckt, 25, nahm‘s nahm's gelassen, hatte er doch auch schon gehässige Kommentare im Internet oder aus dem undemokratischen Weißrussland ertragen müssen. Als Conchita Wurst will Neuwirth für Toleranz werben (Motto: Es ist „wurst“, wie du aussiehst und woher du kommst, nur der Mensch zählt).

Wie politisch ist der ESC dieses Jahr?

Politische Botschaften etwa auf T-Shirts oder Bannern, per Handzeichen oder im Songtext sind verboten. Gastgeber Dänemark ist als weltoffenes Land bekannt, doch der Ukraine-Konflikt wirft einen Schatten auf das fröhliche Spektakel. Im ersten Halbfinale gab es Buhrufe, als klar war, dass Russlands Zwillinge Tolmatschewy Sisters im Finale dabei sind. Außerdem: Die Bewohner der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim stimmen laut NDR telefon- und internettechnisch mit der Ukraine ab. Geht die höchste Punktzahl aus der Ukraine an Russland?

Wer sitzt in der deutschen Jury?

Die deutsche Jury, deren Votum zur Hälfte in die Punktewertung der Bundesrepublik einfließt, besteht in diesem Jahr aus dem Berliner Rapper Sido, dem Musiker Andreas Bourani („Nur in meinem Kopf“), der Songwriterin Madeline Juno, Jennifer Weist von der Rock-Band Jennifer Rostock sowie Talentscout Konrad Sommermeyer. Germany's Points wird übrigens Schlagerstar Helene Fischer live von der Reeperbahn in Hamburg (wo der ESC-zuständige NDR sitzt) bekanntgeben.

Was sollte man neben dem Fernsehen beobachten?

Zahlreiche Medien machen am Abend Live-Ticker, der ESC ist aber auch ein klassisches Second-Screen-Event (also neben dem Fernseher hat man noch Blogs und soziale Netzwerke im Blick). Viele schauen aber auch einfach nur mitfiebernd oder lästernd mit Freunden.

Wann steht der Sieger fest?

Viele ESC-Fans lieben die kultig-aufwendige Punktewertung mit Live-Schalten in alle Teilnehmerländer. Die geht ab etwa 23.30 Uhr über die Bühne. Der Sieger dürfte kurz nach Mitternacht feststehen. Ende der Live-Show ist gegen 0.15 Uhr.

Wie ist das mit dem Startplatz?

Einen garantierten Startplatz im Finale haben die größten Eurovisions-Geldgeber Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien sowie der Titelverteidiger Dänemark.

Wie lang darf man singen?

Jeder Wettbewerbssong darf höchstens drei Minuten lang sein.

Wer darf überhaupt singen?

Bis zu sechs Menschen über 16 Jahren, aber kein einziges Tier, dürfen auf der Bühne sein. Es wird live gesungen, die Musik kommt vom Band.

Wie wird abgestimmt?

Die Zuschauer können erst dann für ihren Favoriten anrufen oder eine SMS schicken, wenn alle 26 Finalisten gesungen haben. Die Zuschauerwertung wird mit der Jury-Wertung (fünf Musikexperten pro Länderjury) 50:50 verrechnet.