Das Rückspiel begann als Freundschaftsspiel. Im Bestechungsprozess gegen den früheren Landesbanker Gribkowsky war Bernie Ecclestone der Zeuge, jetzt tauschten sie die Rollen. Der Formel-1-Chef kam nicht ins Schwitzen.

München. Gerhard Gribkowsky lächelte und nickte dem Angeklagten Bernie Ecclestone zu, als er den Gerichtssaal betrat. Und auch in der Folge äußerte sich der Zeuge sehr vorteilhaft über den Formel-1-Chef. Von einem Duell keine Spur – Gribkowsky lieferte sogar Munition für Ecclestones Verteidigung.

Im November 2011 hatten die beiden Männer mit vertauschten Rollen vor Richter Peter Noll gestanden. Der Ex-Bayern-LB-Vorstand Gribkowsky als Angeklagter wegen Bestechlichkeit, Ecclestone als Zeuge. Unbestritten war und ist, dass Ecclestone dem Banker 44 Millionen Dollar zahlte, nachdem er die Landesbank-Anteile an der Formel 1 an einen Ecclestone genehmen Investor verkauft hatte. Das Landgericht München verurteilte Gribkowsky deshalb zu achteinhalb Jahren Haft, und Noll sagte damals, Ecclestone habe den Landesbanker „ins Verbrechen geführt“.

Am Freitag lachten die alten Bekannten zusammen vor Gericht, als Noll an die früheren Machtkämpfe der beiden erinnerte. Einmal habe sich der 1,90 Meter große Deutsche auf den Stuhl des 1,58 Meter großen Engländers gesetzt und einen Zigarillo geraucht – er vertrat den größten Anteilseigner an der Formel 1 und lag mit Ecclestone über Kreuz, weil der sich ein Vetorecht, eine Goldene Aktie gesichert hatte. „Unangenehm sein, um das Ziel zu erreichen“, erklärte Gribkowsky dem Gericht seine Motive. „Als Risikovorstand einer Bank sind Sie nicht Everybodys Darling.“

Gerhard Gribkowsky: Ecclestones größter Gegenspieler

Gleich bei seinem Amtsantritt 2003 habe Ecclestone ihm zeigen wollen, wer der Chef im Ring ist, und ihn telefonisch einbestellt: „Ich erwarte, dass du in mein Büro kommst!“ Wenig später lotete Gribkowsky mit den Autoherstellern aus, ob man Ecclestone loswerden könnte. Bei einem Rennen ließ er einen Teamchef dem PS-Zampano Ecclestone zutragen, dass die BayernLB einen Nachfolger für ihn suche. Vor Gericht stritten beide über die Goldene Aktie. „Die Kriegsfahne“ wehte, sagte Gribkowsky.

Dann führte er ein für den Prozess wichtiges Detail an. Ecclestone sagt nämlich, er habe Gribkowsky nie Bestechungsgeld gezahlt – die 44 Millionen Dollar seien Schweigegeld gewesen, weil er sich von Gribkowsky wegen Steuerproblemen erpresst gefühlt habe. Jetzt sagte Gribkowsky aus, er habe Ecclestone damals auch ein Papier auf den Tisch gelegt, um Druck aufzubauen. An den Inhalt könne er sich aber nicht mehr erinnern. Aufzufinden ist der Brief nicht mehr. Das ist Wasser auf die Mühlen der Verteidigung: Der Zeuge habe bestätigt, „dass Druck ausgeübt wurde, der über das normale Maß hinausgeht“, sagte Verteidiger Sven Thomas.

Von Mai 2005 an hatte sich das Verhältnis von Gribkowsky und Ecclestone dramatisch verbessert. Er habe erkannt: „Es gibt keine Formel 1 ohne Herrn Ecclestone.“ Sie begruben das Kriegsbeil, und der Milliardär Ecclestone ließ den Banker wissen, er werde für ihn sorgen: „I will care of you.“ Gribkowsky sagte, er habe das als Jobangebot verstanden. Ein Wechsel in die Formel 1 hätte ihn schon interessiert. Ecclestone präsentierte Gribkowsky den Investor CVC als Kaufinteressent und schickte ihm seinen Privatjet, damit er bequem zum Plaudern zum Grand Prix nach Spa in Belgien kommen könne – „ein gutes Taxi“, wie Gribkowsky lachend sagte.

Die BayernLB bewertete ihr Formel-1-Paket damals mit 400 Millionen, CVC bot doppelt soviel. Ecclestone sollte am Steuer bleiben dürfen. Und Gribkowsky winkte ein Posten im Aufsichtsrat. Gribkowsky sagte, eigentlich wäre 2006 damit „das letzte Großproblem der BayernLB erledigt“ gewesen. Schallendes Gelächter im Saal, denn zwei Jahre später schrammte die Landesbank knapp an der Pleite vorbei – und Gribkowsky wurde auch deswegen bei der BayernLB der Stuhl vor die Tür gestellt.

Aufmerksam verfolgte Ecclestone Gribkowskys Aussage, eine Dolmetscherin flüsterte ihm die Übersetzung ins Ohr. Über die Geldzahlungen soll der Zeuge in den folgenden drei Prozesstagen noch genau vernommen werden. Von den 44 Millionen Dollar ist ihm jedenfalls nichts geblieben – das Konto „Sonnenschein“ in Österreich, seine Villa, seine wertvolle Weinsammlung wurden vom Freistaat einkassiert.

Immerhin ist er schon seit Oktober, nach knapp zwei Jahren Gefängnis, als Freigänger tagsüber draußen. Im Moment arbeitet er für den österreichischen Strabag-Konzern – man sah ihn schon mittags im Restaurant speisen. Wenn es für ihn gut läuft, könnte er schon nächstes Jahr auf Bewährung ganz freikommen. Vielleicht kann der 56-Jährige seine Erfahrungen in der Formel 1 dann doch noch verwerten.