Fünf Stunden bei minus 50 Grad und Sauerstoffmangel: Teenager überlebt Flug im Radkasten einer Boeing in einer Art von „Winterschlaf“

San José. Ein Ausreißer hat einen fünfeinhalbstündigen Flug im Radschacht einer Boeing 767 vom kalifornischen San José auf die Hawaii-Insel Maui überlebt. Dabei ist eigentlich jedem Menschen der Tod gewiss, der dem geringen Luftdruck und Sauerstoffmangel in 10.000 Meter Höhe und einer Kälte von unter minus 50 Grad Celsius ausgesetzt ist.

Der 15 Jahre alte Junge, der mit nur einem Kapuzenpullover, Jeans und Sneakers bekleidet war, schien zwar nach der Landung zunächst unter Hörschwierigkeiten zu leiden, ist aber inzwischen wieder vollkommen gesund.

Einzige Erklärung der Mediziner: Der Afroamerikaner aus dem kalifornischen Santa Clara, dessen Name nicht bekannt wurde, müsse in eine „Art von Winterschlaf gefallen sein“. So wie bei Tieren der Herzschlag rapide abnimmt, die Lungenfunktion auf ein Mindestmaß heruntergefahren wird und das Blut nur noch sehr langsam durch die Adern fließt, müsse auch dieser blinde Passagier eine Art von Schutzkoma erlebt haben. Der Teenager sei in einen „Stand-by-Modus“ gefallen, der dem Tod näher als dem Leben gewesen sei.

Dass er während seiner Reise das Bewusstsein verlor, ist offenkundig. Er kletterte erst rund eine Stunde nach der Landung aus dem Radschacht. Ein Flughafenmitarbeiter, der ihn über das Rollfeld laufen sah und ansprach, berichtete später, der Junge sei „nicht allzu kooperativ“ gewesen. Mutmaßlich litt er unter Orientierungsschwierigkeiten. Doch schon bei der Ankunft von Flughafenärzten wirkte er wieder „fit und ansprechbar“.

Dass er die lange Reise überleben konnte, „ist ein Wunder“, sagt Marvin Moniz, Manager des Flughafens Kahului auf Maui. Etliche Experten bezweifelten denn auch die gesamte Geschichte. Zumindest ohne wärmende Schutzkleidung, aber auch ohne künstliche Sauerstoffversorgung könne niemand einen solchen Flug überleben.

Doch die Behörden haben inzwischen Videoaufnahmen sowohl aus San José als auch aus Maui sichergestellt. Auf der ersten sei eine Gestalt mit der Bekleidung des Jungen zu sehen, der einen Zaun zum internationalen Flughafen überwand und auf dem Gelände herumstrich. Die Aufnahmen aus Hawaii zeigen den Moment, in dem er aus dem Fahrgestellschacht kletterte.

Dass blinde Passagiere Flüge im Radschacht eines Flugzeuges überleben, ist selten, kommt aber gelegentlich vor. Seit 1947 gab es laut US-Flugüberwachungsbehörde FAA (Federal Aviation Administration) 94 Fälle weltweit, bei denen 105 blinde Passagiere eine solche Reisegelegenheit „in Anspruch“ nahmen. Von diesen starben 80, 25 überlebten.

Der letzte bekannte blinde Passagier, der überlebte, wurde laut FAA im August 2013 auf einem Flug innerhalb Nigerias festgestellt. „Den letzten bekannten Todesfall gab es im Februar 2014 auf dem Internationalen Flughafen Dulles (Washington D.C.). Die Maschine war im südafrikanischen Johannesburg am 12. Februar 2014 gestartet, über Dakar im Senegal geflogen und am 14. Februar in Dulles gelandet.“

Bei derart langen Flügen in einer Höhe, wie sie dieser Ausreißer mitmachte, ist die Todesrate ungleich höher. Experten sprechen von nur zwei oder drei vergleichbaren Fällen, bei denen die blinden Passagiere überlebten – insbesondere dann, wenn sie wenigstens mit Schutzkleidung für Extremwetter und Sauerstoffflaschen ausgerüstet waren. Der Teenager, der nach Hawaii flog, hatte seine Tat wohl nicht geplant. Er kletterte in den Radkasten der erstbesten Maschine, auf die er stieß, ohne ihr Ziel zu kennen.

Gegen den Jungen, der in die Obhut einer Kindernothilfe auf Hawaii übergeben wurde, gab es keine Anzeige; er habe sich keines Verbrechens schuldig gemacht, hieß es. Die Eltern, mit denen er einen Streit gehabt haben soll, bevor er von zu Hause ausriss, wurden verständigt.