London/Mettlach. Müssen Christen ihr zentrales Glaubenssymbol austauschen? Das legen Forschungen des italienischen Archäologen und Anthropologen Matteo Borrini nahe. Laut seiner Untersuchung des Turiner Grabtuchs starb der Mann, dessen Abbild es zeigt, mit hochgereckten Armen. Demnach wäre Jesus entgegen der Bildtradition an ein Y-förmiges Kreuz genagelt worden, womöglich eine große Astgabel.

Borrini beackert das entlegene Feld der forensischen Archäologie. Seine Spezialität sind Analysen von Blutspuren verstorbener Menschen. Unter diesem Blickwinkel weckten rostbraune Linien auf dem Turiner Leinen sein Interesse. Welche Position musste der Mann am Kreuz eingenommen haben, damit das Blut aus seinen Handwunden genau diesen Kurs zu den Ellbogen nahm?

Mit Luigi Garlaschelli, Chemiker in Pavia mit einem Faible für bizarre Phänomene, experimentierte Borrini mit einer am Handgelenk befestigten Kanüle und Blutkonserven. Sein Ergebnis, das er laut der britischen Zeitschrift „NewScientist“ bei einem Kongress der Amerikanischen Akademie für Gerichtsmedizin in Seattle vorstellte: Die Spuren sprechen für eine Kreuzigung – jedoch in einer „Y“-Form, nicht in der angenommenen „T“-Haltung. Rein archäologisch wäre das an sich keine grundstürzende Erkenntnis. Römer nutzten für Kreuzigungen Pfähle mit Querholz, X-förmige Balken, einfache Pfosten – und Baumgabeln.