Sternekoch Holger Stromberg ist für das Essen der Nationalelf bei der WM in Brasilien verantwortlich. Kein leichter Job. Neuer liebt Meeresfrüchte, Mertesacker Tomatensuppe, Milchreis mögen alle. So meistert Stromberg die Herausforderung.

Hamburg. Die Fußball-WM in Brasilien ist für Holger Stromberg, 42, eine Herausforderung. Denn statt mit seinem Profi-Equipment reist der Sternekoch mit leeren Händen aus München an. Lebensmittel in Top-Qualität? Sind in dem südamerikanischen Land Mangelware. Die Küchencrew? Kennt er nicht. Und trotzdem bleibt der Koch von Jogi Löws Truppe gelassen.

Hamburger Abendblatt: Herr Stromberg, Sie gehören seit 2007 zum Betreuerteam der Nationalmannschaft. Wie fußballbegeistert muss man für Ihren Job sein?

Holger Stromberg: Ich bin Fußballfan, aber kein Fußballfreak. Ich glaube, dass die Mannschaft Menschen braucht, die sich nicht zu sehr dem Rausch des Fußballs hingeben.

Seit mehr als einem halben Jahr bereiten Sie sich auf den WM-Einsatz im Juni vor. Sie waren auch vor Ort. Was kostet denn so wahnsinnig viel Zeit?

Stromberg: Ich reise immer in die Spielorte und schaue, was wir noch organisieren müssen, woher ich die Lebensmittel in der besten Qualität bekomme. Sonst kann es böse Überraschungen geben. In Portugal gab es in einer Küche mal kein einziges Messer. Da haben die den ganzen Fisch in den Ofen gelegt und ihn nicht filetiert. Das kann ich natürlich nicht machen: Es darf einfach nicht passieren, dass einer unserer Männer ausfällt, weil er ne Gräte im Hals hat.

Gibt es Messer in der Luxus-Unterkunft?

Stromberg: Die Küche im „Campo Bahia“ kenne ich nur von Zeichnungen, weil ich die Planungen mitbegleitet habe, und der Münchner Bauherr mein Küchenkonzept umsetzen möchte. Sie war bei meinem Besuch aber noch im Rohbau. Klar ist: Wir werden alles für meine Arbeit vor Ort besorgen. Normalerweise habe ich immer zwei Europaletten mit Dingen wie Gewürzen, hochwertigen Ölen und leistungsfähigen Küchengeräten dabei. Nach Brasilien kann aber nur sehr schwer etwas eingeführt werden. Daher haben wir uns entschieden, nichts mitzunehmen.

Bekommen Sie da keine Albträume?

Stromberg: Nein, aber es wird eine riesen Herausforderung. Vor allem, wenn es um hochwertige Lebensmittel geht. Wenn wir an Brasilien denken, sehen wir bunte Früchte vor Augen, viel Gemüse und frischen Fisch. Doch die Realität sieht etwas anders aus. Einen Supermarkt, wie wir ihn hier vor jeder Haustür haben, gibt es dort nicht. Das Angebot ist viel karger und bei Weitem nicht so gut sortiert. Es gibt ganz andere Marken. Da muss man sich durchwühlen, bis man hat, was man möchte.

Sind Sie bei der Lebensmittelsuche auf sich allein gestellt?

Stromberg: Die deutsche Hotelbetreibergesellschaft unterstützt mich. Ich gebe lange Wunschlisten per Mail durch. Als ich vor Ort war, haben wir die Märkte besichtigt und die Fischer am Hafen besucht. Das klingt zwar wahnsinnig sympathisch. Das Problem ist nur: Wenn einem einer morgens beim Einkauf zuvorkommt oder die Fischer nichts gefangen haben, hat man Pech. Aber ich werde keinen Zuchtfisch oder Riesengarnelen servieren, die in einer Antibiotikapfütze aufgewachsen sind.

Die Spieler wollen wahrscheinlich eh lieber ein saftiges Steak ...

Stromberg: Einen Vegetarier gibt es tatsächlich nicht im Team. Aber Manuel Neuer isst zum Beispiel wahnsinnig gern Salat mit Meeresfrüchten, Philipp Lahm liebt Grießnockerlsuppe, und wenn es nach Mannschaftsrat Per Mertesacker ginge, würde es jeden Tag Tomatensuppe in allen Variationen geben. Aber ich habe 23 Spieler, und jeder sollte am Büfett mal zum Zug kommen. Es wird also ganz sicher Fleisch geben. Dabei ist es mir wichtig, dass das Tier vorher auch noch ein würdiges Leben hatte und natürlich gefüttert wurde.

Was gehört denn an einem Spieltag aufs Büfett und was auf keinen Fall?

Stromberg: Bestimmte Zutaten sind tabu: Zwiebeln und Paprika kommen immer wieder hoch und sagen „Hallo“. Roher Knoblauch führt häufig zu Magenverstimmungen. Muskat und Mohn können sich bei der Dopingprobe auswirken. Gurke und Melone liegen schwer im Bauch, haben aber nicht viel ernährungsphysiologische Wertigkeit. Dann gibt es keinen Kamillentee für die Spieler vor dem Match – sonst schlafen sie ein. Darum kochen wir mit Lebensmitteln, die wach machen. Das sind Gewürze wie Chili oder Peperoni. Das sind viele Kräuter, die den Stoffwechsel anregen. Morgens gibt es ein kohlenhydratreiches Frühstück, dann Mittagessen und drei Stunden vor dem Spiel servieren wir noch mal bissfeste Pasta. Oder es gibt Grießbrei und Milchreis – das lieben alle Spieler. Aber natürlich gibt es kein Gericht, mit dem alles so funktioniert wie bei Superman.

Gibt es auch Nutella aufs Brot?

Stromberg: Die gibt es auch. Sie ist zwar sehr kalorienreich, aber wir haben ja kein Kalorienproblem in der Mannschaft. Wir müssen ja auch Energie in die Jungs reinbringen – zudem macht die Dosis immer das Gift.