Mindestens sechs Menschen sterben bei dem Beben der Stärke 8,2. Im Norden Chiles erreichte nach 45 Minuten eine erste Flutwelle das Land. Hunderttausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen.

Santiago de Chile. Ein schweres Erdbeben hat die nördliche Pazifikküste Chiles erschüttert und mindestens sechs Menschen das Leben gekostet. Zudem löste es einen Tsunami aus, der die Räumung des gesamten Küstengebiets nötig machte. Hunderttausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Nach Angaben des Tsunami-Warnzentrums für den Pazifik verursachte das Beben mehrere Tsunami-Wellen, die höchste mit 2,3 Metern. Präsidentin Michelle Bachelet rief den Notstand für die Region aus und entsandte 400 Polizisten und Soldaten.

Der Erdstoß ereignete sich am Dienstagabend (Ortszeit) knapp 100 Kilometer nordwestlich der Stadt Iquique. Einige Menschen erlitten Verletzungen, das Ausmaß der Schäden war wegen der Dunkelheit zunächst unklar. Dem Beben folgten mindestens 20 spürbare Nachbeben, eines davon mit der Stärke 6,2.

Einige Straße wurden durch Erdrutsche blockiert. In einem Frauengefängnis in Iquique nutzten 300 Gefangene das Chaos und flüchteten. Etwa 26 von ihnen wurden inzwischen wieder inhaftiert.

Die Regierung hielt die Tsunami-Warnung für die Nordostküste Chiles und das südliche Peru auch Stunden nach dem Beben aufrecht, während sie andernorts aufgehoben wurde. Damit zog Bachelet die Lehre aus einer fatalen Entscheidung im letzten Jahr ihrer ersten Amtszeit, als 2010 viele Menschen ein schweres Erdbeben der Stärke 8,8 zunächst überlebten, dann aber durch meterhohe Tsunami-Wellen in den Tod gerissen wurden. Damals starben etwa 500 Menschen.

Die Staatschefin, die vor drei Wochen ihre zweite Amtszeit antrat, rief die Menschen über Twitter auf, die Ruhe zu bewahren und den Anweisungen der Behörden zu folgen. Später wandte sie sich auch im Fernsehen an die Nation. Darin kündigte sie unter anderem an, dass das Innenministerium die Tsunami-Bedrohung die Nacht hindurch beobachten werde.

Selbst Gebäude in Bolivien schwankten

Die fünf Todesopfer erlagen den Behörden zufolge Herzattacken oder wurden erdrückt. Experten sprachen von einer bemerkenswert niedrigen Opferzahl angesichts der Bebenstärke von 8,2. Der Erdstoß war so heftig, dass in der 470 Kilometer entfernten bolivianischen Hauptstadt La Paz Gebäude wankten.

Die entsandten Bereitschaftspolizisten und Soldaten sollen vor allem Plünderungen verhindern und entflohene Gefangene aufspüren. So nutzten etwa 300 Insassen eines Frauengefängnisses in Iquique das Beben zur Flucht. Erdrutsche blockierten mehrere Straßen, in der Stadt Arica waren 90 Prozent der Bewohner ohne Strom.

Die peruanische Küstenstadt Boca del Rio trafen zwei Meter höhere Wellen als üblich. 200 Bewohner mussten den Ort verlassen. Doch Verletzungen oder Schäden habe es nicht gegeben, sagte Enrique Blanco, Polizeichef der Grenzstadt Tacna.

Chile gehört zu den für Erdbeben anfälligsten Ländern der Welt: Vor der Küste stößt die Nazca-Platte auf die Südamerikanische Platte und sorgt für Spannungen. Allein in den vergangenen zwei Wochen hatte in der abgelegenen Nordküste Chiles Hunderte Male die Erde gebebt. Der verheerendste Erdstoß, der je registriert wurde, ereignete sich ebenfalls in Chile: 1960 riss ein Beben der Stärke 9,5 mehr als 5000 Menschen in den Tod.