Bald kommt ein Blockbuster mit Russell Crowe in die Kinos, der nichts geringeres als die „Arche Noah“ zum Stoff hat. Aber auch Wissenschaftler sind noch immer vom biblischen Schiff fasziniert.

London. Leinen los für das älteste, legendärste und meistumstrittene aller Wasserfahrzeuge. Eine beispiellose Arche-Welle schwappt auf uns zu. Unter dem Titel „Das Rätsel der Arche Noah“ bringt der Verlag der Stiftung Christliche Medien am 28. März ein Buch mit der Behauptung heraus, die Überreste des Sintflut-Rettungsgefährts seien nur deshalb bisher der Entdeckung entgangen, weil auf dem falschen Gipfel gesucht werde.

Tatsächlicher Landeplatz der Arche sei nicht der Große-Ararat-Berg, argumentiert Autor Timo Roller, ein Schwarzwälder Medieningenieur, sondern der 2114 Meter hohe Cudi, 300 Kilometer weiter südwestlich an der syrisch-irakischen Grenze der heutigen Türkei. Eine Woche später, am 3. April, schickt Hollywood den 90-Millionen-Euro-Monumentalfilm „Noah“ in die deutschen Kinos, mit dem Oscar-Gewinner Russell Crowe in der Titelrolle, Jennifer Connelly als seiner Frau und Emma Watson („Harry Potter“) als eine seiner Schwiegertöchter.

Im Mai wollen US-Kreationisten in Kentucky mit dem „bibelgetreuen“ Nachbau der Arche beginnen. Sie soll 155 Meter lang, 27 Meter breit, 16 Meter hoch und damit mehr als doppelt so groß wie das Modell aus Holland werden, das vergangenes Jahr mehrere Wochen in Hamburg zu Besuch war. In Indien sind traditionelle Bootsbauer unter Aufsicht des britischen Archäologen und Keilschriftexperten Dr. Irving Finkel, 62, und mithilfe von Lastelefanten bereits dabei, für eine TV-Doku im August eine Art Urarche zu zimmern – „The Ark Before Noah“ (die Arche vor Noah). Das Sensationelle an diesem Projekt: Die detaillierte Bauanleitung steht auf einer 3800 Jahre alten Tontafel aus Mesopotamien – und ist keine Blaupause für ein kastenförmiges Superhausboot wie auf den üblichen Arche-Darstellungen, sondern der schriftliche Entwurf für eine kreisrunde Nussschale, wie die in manchen Teilen der Welt noch bis ins 20. Jahrhundert hinein gebräuchlichen und praktisch unsinkbaren Coracles, nur eben um ein Vielfaches überdimensioniert.

Göttliche Überlebenstipps

„Kein Mensch war je auf den Gedanken gekommen, die Arche könnte rund gewesen sein“, sagt Finkel, Kurator am berühmten Britischen Museum in London. Dort entziffert der Forscher mit dem weißen Vollbart und der John-Lennon-Brille seit über vier Jahrzehnten Dokumente in Kuneiform, „der ältesten und schwierigsten Schrift der Welt“. Als ihm 1985 ein Besucher ein terrakottafarbenes Tontäfelchen aus dem heute irakischen Zweistromland zeigte, erkannte er die 60 eng geritzten Zeilen schnell als göttliche Überlebenstipps für die große Strafflut gegen die frevelhafte Menschheit, verblüffend ähnlich denen im Gilgamesch-Epos, in der Thora, in der Bibel und im Koran.

Doch erst 2009 überließ der Besitzer das 11,5 mal sechs Zentimeter messende Täfelchen dem Museum zum gründlicheren Studium. Finkel berichtet, ihm sei fast das Herz stehen geblieben, als er den Befehl des Gottes Enki an den Noah-Vorläufer Atra-hasis las: „Skizziere das Boot, das du bauen wirst, auf einem runden Plan.“ Und weiter ging es präzise: Die Grundfläche solle 3600 Quadratmeter betragen, einen Durchmesser von 70 Metern und eine Seitenwandhöhe von sechs Metern haben; das entspricht größenmäßig etwa einem halben Fifa-Fußballplatz. Das zweistöckige Gerippe sei aus J-förmigen Holzstreben zu fertigen, die mit insgesamt rund 550 Kilometern Palmfasertau umflochten und gegen Wassereintritt innen wie außen mit „Erdpech“ (in Mesopotamien natürlich austretendem Bitumen) bestrichen werden.

Noch überraschter als von den konkreten Bauanweisungen war Finkel, als es ihm endlich gelang, die beschädigten Zeichen in der 51. und 52. Zeile zu entziffern. Sie beschäftigen sich mit den „wilden Tieren der Steppe“, die „zu zweit“ in die Arche getrieben werden sollten. Laut Peter van der Veen, Spezialist für Biblische Archäologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, gibt es etliche Sintfluterzählungen aus der Frühgeschichte, aber keine andere, die vom paarweisen Auftreten der Tiere spricht. Finkel erinnert sich, bei der Entdeckung „beinahe vom Stuhl gefallen“ zu sein.

In einem Ende Januar in England, bisher nicht auf Deutsch veröffentlichten Buch vertritt er die These: Mesopotamien, eine notorische Überschwemmungsebene, wurde um das Jahr 5000 v. Chr. von einer so horrenden Flut heimgesucht, dass die Katastrophe selbst über die Jahrtausende unvergessen blieb. Die Juden hörten davon während der babylonischen Gefangenschaft unter Nebukadnezar II. im 6. Jahrhundert v. Chr., und so fand der inzwischen verbrämte Bericht Eingang in das 1.Buch Mose, die Genesis (Schöpfungsgeschichte). Finkel, nach eigenen Worten ein „jüdischer Atheist“, hält die nur handygroße Tontafel mit der Keilschrift für „eins der wichtigsten Dokumente der Menschheitsgeschichte“ – trotz seiner „hundertprozentigen Überzeugung, dass die Arche nie existiert hat“. Ob sie seetüchtig gewesen wäre, soll der Bootsbau in Indien erweisen.