Berliner Kulturstaatssekretär und Wowereit-Vertrauter André Schmitz gesteht „schwerwiegenden Fehler“ und tritt als erster prominenter Steuersünder zurück. Frauenrechtlerin Schwarzer sieht sich hingegen als Opfer.

Berlin/Köln. Beide hatten ein Konto in der Schweiz, beide meldeten die Erträge nicht beim Finanzamt an – und begingen damit Steuerhinterziehung. Doch der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz, 56, und die prominente Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, 71, ziehen ganz unterschiedliche Konsequenzen aus dem Bekanntwerden ihrer Verfehlungen: Schmitz wird heute zurücktreten. Ein entsprechender Bericht des „Tagesspiegels“ wurde der Nachrichtenagentur dpa am Montagabend aus zuverlässiger Quelle bestätigt. Schwarzer hingegen ging in die Offensive. Ihr Anwalt kündigte juristische Konsequenzen an, weil das Steuergeheimnis verletzt worden sei.

Schmitz wandte sich am Montagabend an die Öffentlichkeit: „Ich habe einen schwerwiegenden Fehler begangen, den ich sehr bedauere“, erklärte der SPD-Politiker und Vertraute des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Schmitz räumte ein, ein Konto mit fast einer halben Million Euro nicht versteuert zu haben. Besonders pikant: Wowereit wusste von dem Steuerbetrug, ließ Schmitz aber im Amt. Schmitz habe Wowereit 2012 über das Steuerverfahren gegen sich informiert und gegenüber dem Regierungschef sein Bedauern geäußert, sagte Senatssprecher Richard Meng. Wowereit ist seit 2006 auch Kultursenator in Berlin, Schmitz sein engster Mitarbeiter. Der Senatssprecher erklärte: „Der Regierende Bürgermeister sieht da eine ernst zu nehmende private Verfehlung, die zu kritisieren ist.“ Die Opposition im Abgeordnetenhaus, aber auch der Koalitionspartner CDU verlangen nun umfassende Aufklärung von Wowereit. „Ich hoffe sehr, dass wirklich alles offengelegt ist“, erklärte CDU-Generalsekretär Kai Wegner. Die Berliner SPD wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte die Vorgänge scharf. „Politische Repräsentantinnen und Repräsentanten haben eine Vorbildfunktion, der sie gerecht werden müssen“, sagte er.

Schwarzer-Anwalt kündigt Schritte an

Schwarzer hatte am Sonntag – nachdem der „Spiegel“ darüber berichtet hatte – zugegeben, seit den 1980er-Jahren ein Konto in der Schweiz gehabt zu haben. Für die vergangenen zehn Jahre habe sie etwa 200.000 Euro Steuern nachgezahlt – plus Säumniszinsen. Diese belaufen sich auf etwa sechs Prozent pro Hinterziehungsjahr. Laut „Bild“ soll es sich um ein Vermögen von 2,4 Millionen Euro handeln. Weil sie sich selbst anzeigte und die Steuerschuld beglich, drohen Schwarzer keine rechtlichen Konsequenzen.

Schwarzers Anwalt Christian Schertz kündigte strafrechtliche Schritte wegen der Veröffentlichung an. Der Medienrechtler sprach von einer „unerträglichen Verletzung des Steuergeheimnisses und der Persönlichkeitsrechte von Alice Schwarzer“. Die Frauenrechtlerin selbst sieht in der Veröffentlichung den Versuch einer bewussten Rufschädigung. Sie mahnt ihr Recht auf Privatsphäre und Steuergeheimnis an – und nennt die Veröffentlichung einen „Dammbruch für die Medien“.

„Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte“, ließ Schwarzer am Montagnachmittag mitteilen, werde sie mit einer Million Euro eine Stiftung für die Chancengleichheit und Menschenrechte von Frauen und Mädchen gründen. Künftig würden auch die Gewinne ihrer Zeitschrift „Emma“ zur Finanzierung der Stiftung beitragen, die noch in diesem Jahr ihre Tätigkeit aufnehmen solle. Geplant sei dies schon seit Monaten, wegen der jetzigen Debatte habe sie sich aber entschlossen, die Ankündigung der Stiftung vorzuziehen.

Schwarzers Steuerbeichte löste Kritik aus – und eine Debatte über das Steuergeheimnis und den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt fragte mit Blick auf Schwarzer: „Moralische Instanz?“ Der Wettermoderator Jörg Kachelmann wirft Schwarzer vor, sich als Opfer eines Rufmordes darzustellen. Sie hatte Kachelmann im Zuge der Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn attackiert. Der Grünen-Politiker Volker Beck dagegen betonte die Rechte der Frauenrechtlerin. „Ich habe mit Schwarzer wegen mangelnder Fairness persönlich eine Rechnung offen. Aber manches geht zu weit!“, twitterte er. Schon mehren sich Stimmen, die Schwarzer auffordern, ihr Bundesverdienstkreuz zurückzugeben.

Steuerzahlerbund in Sorge

Der Bund der Steuerzahler hält die Enthüllung des Falls dagegen für fatal. „Frau Schwarzer hat das legitime Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige genutzt“, sagte Präsident Reiner Holznagel. „Ohne dieses Instrument würden viele Steuerhinterzieher nie entdeckt.“ So sieht es auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft. „Dieses Signal, dass durchgestochen wird, wird viele abhalten, künftig eine Selbstanzeige zu erstatten“, sagte der Vorsitzende Thomas Eigenthaler.

In den vergangenen Monaten war Schwarzer ein gefragter Talkshow-Gast zum Thema Prostitution. Am Montagabend wurde sie selbst zum Talkshow-Thema. In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ ging es um die Frage: „Was, die auch – kein Recht auf Steuergeheimnis für Alice Schwarzer?“