Vor 100 Jahren wurde das erste Kreuzworträtsel in der Weihnachtsausgabe einer New Yorker Zeitung abgedruckt

Frankfurt a.M. Für die Weihnachtsausgabe am 21. Dezember 1913 sollte sich Arthur Wynne etwas ganz Besonderes ausdenken. Der Brite war Redakteur bei der US-amerikanischen Zeitung „New York World“ und dafür zuständig, die Sonntagsbeilage mit neuen Rätseln zu bestücken. Für Weihnachten nun wollten seine Chefs etwas, das auch optisch zur Saison passte. Und so entwarf Wynne nach langem Grübeln ein rautenförmiges Gebilde, das an einen Weihnachtsbaumanhänger erinnerte und das er „Wort-Kreuz-Rätsel“ („Word-Cross Puzzle“) nannte. Es sollte die Geburtsstunde des modernen Kreuzworträtsels sein.

31 Suchbegriffe ordnete der 41-Jährige in seiner Raute an, die innen leer war. Die Lösungen mussten mal waagerecht, mal senkrecht eingetragen werden. Wynne hatte sich dabei an älteren Ausgaben von Gitterrätseln orientiert.

Sein Kreuzworträtsel ist tatsächlich eine Verbesserung der „Magischen Quadrate“ von Victor Orville, der um die Jahrhundertwende in Kapstadt in einem Gefängnis gesessen und die Gitterrätsel aus purer Langeweile erfunden hatte. „Wynne hat eine Variante eingeführt, die eine große Vielfalt zulässt und im Prinzip bis heute so genutzt wird“, sagt Rätselexperte Johannes Susen aus Brühl bei Köln. Es sei daher „absolut gerechtfertigt“, Wynne als den Erfinder des Kreuzworträtsels zu bezeichnen. Susen entwirft selbst seit 30 Jahren hauptberuflich Rätsel und organisiert einmal im Jahr die Deutsche Kreuzworträtsel-Meisterschaft.

Arthur Wynne versäumte es allerdings, sich sein Wort-Kreuz-Rätsel – das später in Kreuz-Wort-Rätsel umbenannt wurde – patentieren zu lassen. Und so verdiente er keinen Cent an der Erfindung. Die Drucker der Zeitung sollen das seltsame Gebilde dermaßen belächelt haben, dass er wohl nicht von einer großen Zukunft für sein Werk ausging.

Tatsächlich aber fand das Kreuzworträtsel einen rasanten Absatz. Schon bald fingen Leser an, der Zeitung eigene Kreuzworträtsel zuzuschicken. „Alle Altersgruppen, Männer wie Frauen, ob vornehm oder nicht, brüten ständig und überall, selbst in Restaurants und in der U-Bahn, über diesen Diagrammen“, seufzte der Herausgeber des Konkurrenzblattes „New York Times“ drei Jahre später. Dabei war Wynnes Erfindung „keine geniale Urzündung“, wie der Rätselforscher Tomas Tomasek von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sagt. „Sie kam einfach zum richtigen Zeitpunkt.“ Durch den modernen Offsetdruck war das Zeitungswesen explodiert, so dass sich nun die breiten Massen eine Zeitung leisten konnten. „Das Kreuzworträtsel“, urteilt der Professor für ältere deutsche Literatur, „war auf das einfache Publikum ausgerichtet“.

Wynne habe eine deutliche Veränderung in der Welt des Rätsels bewirkt: Vorher war das Lösen von Rätseln eine kommunikative Beschäftigung in der Gruppe, man saß in der Familie an langen Winterabenden zusammen und knobelte gemeinsam. Das Kreuzworträtsel jedoch werde allein gelöst, sagt Tomasek, mal eben in der Mittagspause beispielsweise, während man das Butterbrot esse.

Trotz neuerer Knobeleien wie Sudoku: Das tägliche Kreuzworträtsel ist noch heute Standard in Tageszeitungen und Zeitschriften. Hunderte von Websites bieten im deutschsprachigen Raum täglich neue Kreuzworträtsel an. „Sie machen 90 Prozent der Rätsel aus, die ich verkaufe“, sagt der Mannheimer Erik Krämer, der schon mit sieben Jahren Kreuzworträtsel löste und später sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Nun entwirft er Rätsel für Zeitschriften und Zeitungen. Doch anders als zu Arthur Wynnes Zeiten werden moderne Rätsel längst am Bildschirm kreiert: „Man gibt das Lösungswort an“, sagt Krämer, „und den Rest macht der Computer.“