Ein Parkplatz, Häuschen aus den 60ern, eine Schnellstraße in der Nähe: Jahrzehntelang verkaufte Großbritannien sein weltberühmtes Steinmonument Stonehenge unter Wert. Doch jetzt kommt die Zeitenwende.

London. Bis heute weiß niemand so ganz genau, was es ist, fast magisch zieht es Millionen Touristen und gläubige Druiden an: Das prähistorische Steinmonument Stonehenge in Südengland gehört zu den mysteriösesten und berühmtesten Stätten Europas. Mitten in den grünen Hügeln der Grafschaft Wiltshire ragt es hervor, bei Sonnenauf- und untergang erstrahlt es besonders imposant. Zur Winter- und Sommersonnenwende erreicht die Faszination der Besucher mit den Jahrtausende alten Steinkreisen jährlich neue Höhepunkte.

Vollkommen rätselhaft allerdings war bisher noch etwas ganz anderes: Die Vermarktung des Top-Touristen-Ziels. Ganz in der Nähe schnitt eine viel befahrene Schnellstraße durch die grüne Landschaft. Ein Parkplatz und ein paar kleine Besucherhäuschen aus den 1960er-Jahren, das war es, was die Millionen Touristen willkommen hieß. Peinlich, unwürdig, eine Katastrophe – schon lange wurde die Lage heiß diskutiert. Auch Vertreter des Druidentums, in Großbritannien eine anerkannte Religion, forderten, die sehr weltlichen Störungen rund um die Stätte zu entfernen. Nach Jahrzehnten der Planung ist nun endlich alles anders.

Ein neues Besucherzentrum informiert umfassend über die Geschichte und Forschung zu Stonehenge. Die Landschaft um die Kreise wurde zurückgebaut, die Schnellstraße geschlossen. Die „Würde des Ortes“ sei wieder hergestellt, hieß es von der Denkmalschutzbehörde English Heritage. In der neuen Ausstellung sind mehr als 250 prähistorische Objekte zu sehen, hinzu kommen Stücke aus späteren Zeiten mit historischem Bezug. Ein Höhepunkt sei die Nachbildung des Gesichtes eines Mannes aus der Jungsteinzeit, heißt es.

Das Zentrum liegt rund zwei Kilometer entfernt von den eigentlichen Steinkreisen – sie sollten so wenig wie möglich zugebaut werden. Besucher können entweder mit einem Shuttlebus dorthin fahren, oder einen alten Prozessionsweg entlang laufen. Im neuen Jahr werden noch die alten Besucheranlagen von 1968 abgerissen. Gekostet hat das Ganze 27 Millionen Pfund (32 Millionen Euro).

„Dies ist eine radikale Veränderung für die eine Million Menschen, die jedes Jahr nach Stonehenge kommen“, sagte English-Heritage-Chef Simon Thurley. „Zum ersten Mal können sie die Steine befreit von dem Wirrwarr und Müll sehen, der sich seit den 1960er-Jahren angesammelt hat.“ Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war es für Stonehenge bergab gegangen, weil immer mehr Verkehr rund um das Monument aufkam. Schon 1927 sollte die Straße in der Nähe geschlossen werden. In den 1980er Jahren wurde Stonehenge Unesco-Weltkulturerbe, und die Regierung versprach, dass die Straße endlich wegkomme.

Nach derzeitigem Forschungsstand war Stonehenge vor rund 4000 Jahren eine wichtige religiöse Stätte. Die bis zu 25 Tonnen schweren Steinkolosse sollen aus einem mehr als 380 Kilometer entfernten Steinbruch in Pembrokeshire stammen – sie zu transportieren und aufzustellen, muss eine Mammutaufgabe gewesen sein. Wissenschaftler glauben, dass Stonehenge eine Art Kalender gewesen sein könnte, durch den die Sommer- und die Wintersonnenwende vorausgesagt wurde. In den sanften Hügeln rund um den zentralen Kreis finden sich noch zahlreiche weitere prähistorische Monumente und Spuren.

Für den Architekten des Besucherzentrums, Steve Quinlan, ist Stonehenge jedoch vor allem eines: „Ein Ort, um im Stillen in sich zu kehren.“ Und genau das sei jetzt wieder möglich.