Auch mit 112 Jahren genießt Gertrud Henze die kleinen Freuden des Lebens. Sie war niemals verheiratet und sieht genau darin den Grund, warum sie es so lange ausgehalten hat.

Göttingen. Warum werden manche Menschen so alt wie Gertrud Henze? Sie feiert am 8. Dezember ihren 112. Geburtstag und ist damit vermutlich die älteste Deutsche. Ob es möglicherweise noch ältere gibt, kann das Statistische Bundesamt nicht beantworten. Eine entsprechende Liste werde dort nicht geführt, erklärte eine Sprecherin.

Wie schaffen es manche, so alt zu werden? Psychologen der berühmten Harvard-Universität haben in einer Langzeitstudie 700 Menschen 60 Jahre beobachtet. Folgende Verhaltensweisen sollen nach den Erkenntnissen der US-Wissenschaftler das Leben verlängern: Alkohol nur in Maßen zu sich nehmen, regelmäßig Sport treiben, Übergewicht und Nikotin meiden, die Herausforderungen des Lebens positiv angehen – und in einer stabilen Ehe leben. Zumindest über das letztgenannte Kriterium kann Gertrud Henze nur lächeln. Sie war niemals verheiratet und sieht genau darin vielleicht sogar einen Grund, warum sie es so lange ausgehalten hat.

Die 111-Jährige, die in einem eigenen, kleinen Appartement in einem Wohnstift in Göttingen lebt, stammt aus einem Pfarrhaus auf Rügen. Später lebte sie lange in Goslar und arbeitete dort als Bibliothekarin. Über ihren früheren Beruf mache Henze bisweilen immer noch Scherze, sagt Annette Paetzold, Wohnstiftsprecherin und seit vielen Jahren mit der alten Frau befreundet. Dass sie so alt geworden sei, habe sie vermutlich auch der Konservierung durch den Bücherstaub zu verdanken, meint die Jubilarin mit einem Lächeln.

Die frühere Bibliothekarin sei „geistig noch total fit“ und auch körperlich in recht guter Verfassung, sagt die Wohnstiftsprecherin. Die Jubilarin sei eine erstaunliche Frau. Sie habe ihren Alltag noch „voll im Griff“.

Großen Trubel möchte Gertrud Henze aus diesem Anlass aber nicht. Die Jubilarin will den Tag im privaten Rahmen feiern. Beim 111. Geburtstag vor einem Jahr sei ihr alles etwas viel gewesen. Sie lese gerne – auch wenn das Augenlicht zuletzt nachgelassen habe. Und sie sei mithilfe ihres Rollators auch fast täglich noch im Haus unterwegs. „Sie ist allerdings nicht mehr sehr stark belastbar.“ Gertrud Henze wolle deshalb lieber nicht mehr mit Journalisten sprechen. Auf schriftliche Fragen hatte sie vor einem Jahr erklärt, sie freue sich, dass sie noch lebe. Ihr Geburtstagswunsch? Ein Alpenveilchen.

Den kleinen Freuden des Lebens sei die Altersjubilarin weiter zugeneigt, sagt Paetzold. „Gertrud Henze raucht bei Gelegenheit noch gerne eine Zigarette.“ Sie gönne sich ab und an ein Gläschen Wein. Zudem nasche sie gerne Süßes. Besonders schätze sie den regelmäßigen Kontakt mit anderen Bewohnern des Stiftes, bei denen sie wegen ihrer offenen und lebensbejahenden Art sehr beliebt sei.

Das alles klingt nach einem Leben mit beständigem Rhythmus. Mediziner sehen darin einen wesentlichen Faktor, um ein hohes Alter erreichen zu können. Ihre Erkenntnis haben sie aus Studien über den Alltag von Nonnen. Diese werden überdurchschnittlich alt – und das bei bemerkenswert guter Gesundheit. Dass Nonnen sich vernünftig ernähren, nicht rauchen, kaum Alkohol trinken und sich fit halten, sei aber nicht allein entscheidend.

Hinzu kommt: Ihr Alltag verläuft streng nach Plan. Verlängert Monotonie unser Leben? Der kalifornische Arzt und Krebsspezialist David Agus meint, Menschen werden krank, weil ihr inneres Gleichgewicht gestresst ist. Seine Empfehlung: Regelmäßigkeit, immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen, zur gleichen Zeit essen und Hektik vermeiden. Wenn das so einfach wäre ...