Das Landesmuseum Hannover hat Hinweise darauf, dass acht Bilder aus dem früheren Provinzial-Museum zu dem spektakulären Kunstschatz aus München gehören. Das Museum will aber keine Rückgabe fordern.

Hannover/Berlin. Zum mysteriösen Münchener Kunstschatz könnten auch acht Bilder aus dem früheren Provinzial-Museum Hannover gehören. Bei drei Grafiken von Ernst Nolde sowie fünf Blättern von Erich Heckel gebe es Hinweise darauf, dass sie nach der Beschlagnahme durch die Nazis an den Kunsthändler Hildebrand Gurlitt gegangen seien, sagte die Direktorin des Landesmuseums Hannover, Katja Lembke, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

Die Polizei hatte insgesamt 1400 meist verschollen geglaubte Werke in der Münchener Wohnung des 79 Jahre alten Kunsthändler-Sohnes Cornelius Gurlitt entdeckt. Die Liste um welche Bilder es sich handelt, wurde noch nicht veröffentlicht.

1937 wurden dem Zeitungsbericht zufolge von den Nazis insgesamt rund 280 Kunstwerke als „entartete Kunst“ aus dem Provinzial-Museum Hannover aussortiert und abtransportiert. Das Landesmuseum will nach eigenen Angaben keine Rückgabeforderungen erheben, weil die Werke juristisch gesehen im Eigentum von Gurlitt sind.

Gurlitt-Kunstsammlung bringt Deutschland diplomatisch unter Druck

Nach internationaler Kritik wollen Bund und Bayern gemeinsam Klarheit über den spektakulären Münchner Kunstfund schaffen. In Berlin plädierte das Haus von Kulturstaatsminister Bernd Neumann für eine Veröffentlichung der 1400 gefundenen Werke, sofern das den Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft nicht behindert. Neumanns Sprecher Hagen Philipp Wolf sagte: „Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass Bilder veröffentlicht werden, sobald es belastbare Indizien für eine unklare Herkunft des jeweiligen Werks gibt.“ Das soll unabhängig vom laufenden Strafverfahren gegen den Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt (79) erfolgen.

In München ist die CSU-Staatsregierung ebenfalls bemüht, internationale Negativschlagzeilen zu vermeiden: „Das bayerische Justizministerium strebt zeitnah eine Übereinkunft und ein Prozedere zwischen der Staatsanwaltschaft Augsburg und dem Haus von Kulturstaatsminister Neumann an, wie – ohne die strafrechtlichen Ermittlungen zu gefährden – die betroffenen zivilrechtlichen, öffentlich-rechtlichen und kulturhistorischen Interessen berücksichtigt und in Einklang gebracht werden können“, erklärte ein Sprecher.

Kunstexperten forderten am Donnerstag erneut eine sofortige Veröffentlichung der Werkliste im Internet. Auch die USA verlangten mehr Transparenz. Deutschland müsse dafür sorgen, dass die Bilder an ihren rechtmäßigen Eigentümer gehen, zitierte das „Wall Street Journal“ einen nicht näher bezeichneten Mitarbeiter des Außenministeriums in Washington.

In Gurlitts Münchner Wohnung hatten Ermittler rund 1400 meist verschollen geglaubte Kunstwerke beschlagnahmt. Sie gehören größtenteils zu der von den Nazis verfemten „Entarteten Kunst“. Da die Liste der Werke nicht veröffentlicht ist, kann bislang auch nicht geklärt werden, ob sich darunter Raubkunst befindet: Werke, die verfolgten Juden geraubt oder zu Spottpreisen unter Zwang abgehandelt wurden ebenso wie Gemälde, die während des Zweiten Weltkriegs aus besetzten Ländern nach Deutschland geschafft wurden.

Die Herkunft des Kunstschatzes muss nach Ansicht von Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer mit allem Nachdruck aufgeklärt werden. Man müsse schnellstmöglich herausfinden, wo die Werke herkämen und wer der rechtmäßige Eigentümer sei, sagte der Vorsitzende der Koalitions-Arbeitsgruppe Kultur. „Erst dann können wir sehen, ob Gesetze angepasst werden müssen. Aber das wird sehr, sehr schwer.“

Der Berliner Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue ist sich jetzt schon so sicher, dass Raubkundt unter den beschlagnahmten Werken ist, dass er einen Deal mit Gurlitt vorschlug. „Er überlässt die Werke dem Staat und geht dafür straffrei aus. Das würde die Rückgabe an berechtigte jüdische Familien oder Museen erheblich vereinfachen“, sagte Raue dem Berliner „Tagesspiegel“. „Wer die Herkunft von über 1400 Bildern selber recherchieren will, braucht bei optimistisch geschätzten zehn Tagen pro Werk 40 Jahre.“