Jeder zweite Deutsche ist genervt vom Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit – und manche macht er krank

Hamburg. In der Nacht zum Sonntag geht die Sommerzeit zu Ende, und manche Menschen sind darüber sehr froh. Sie leiden unter Schlafproblemen durch den leicht verschobenen Tagesrhythmus oder vermissen in den herbstlichen Morgenstunden das um eine Stunde später einsetzende Tageslicht. In Russland beschäftigt man sich schon seit dem Jahr 2009 mit einer Rückkehr zur konstanten Normalzeit. Das spanische Parlament zog im September nach und sprach sich als erstes westeuropäisches EU-Land gegen das saisonale Zeitverschieben aus. Denn den Nachteilen stehen kaum Vorteile gegenüber.

Als die Politik unter dem Eindruck des ersten Ölschocks 1973 sieben Jahre später die Zeitumstellungen einzuführen begann, hoffte man auf Energieeinsparungen. Doch dafür gibt es bis heute keine überzeugenden Beweise. Vielmehr gelangen mehrere amerikanische Studien zum Ergebnis, dass wegen der Sommerzeit sogar mehr Energie verbraucht wird: Zwar wird es nun wieder früher hell, sodass weniger Kunstlicht am Morgen nötig ist. Aber in den Abendstunden wird mehr Energie verbraucht, etwa zum Heizen.

Obwohl der Wechsel zwischen der Normalzeit (Winterzeit) und der siebenmonatigen Sommerzeit bereits im Jahr 1980 in der Bundesrepublik eingeführt wurde (seit 1996 drehen alle EU-Länder geschlossen am Rad der Zeit), hat ein Teil der Menschen bis heute nicht verinnerlicht, in welche Richtung die Zeiger jeweils zu bewegen sind: Für die Sommerzeit werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt – und dementsprechend an diesem Wochenende wieder um eine Stunde zurück.

Jeder zweite Deutsche (48 Prozent) findet die zweimalige Zeitumstellung im Jahr weiterhin äußerst lästig. Männer und Ostdeutsche können sich mit ihr allerdings besser arrangieren, als Westdeutsche und Frauen. So ist die Hälfte der Westdeutschen von der Umstellerei genervt, in Ostdeutschland sind dies nur 38 Prozent.

Darüber hinaus ist der „Mini-Jetlag“, von dem die internationalen Schlafforscher gerne sprechen, vom Körper keineswegs leicht zu bewältigen. Es könne mehrere Tage bis Wochen andauern, bis sich Menschen an die veränderte Tageszeit und den anderen Hell-Dunkel Rhythmus anpassten, sagt die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Die veränderte Uhrzeit steigere zudem die Zahl der Verkehrsunfälle um rund acht Prozent.

Eine repräsentative Forsa-Umfrage für die Kaufmännische Krankenkasse ergab, dass vier von zehn Bundesbürgern (46 Prozent der Frauen und 36 Prozent der Männer) mit der Zeitumstellung Probleme haben. Die meisten Betroffenen finden nach einigen Tagen wieder in den normalen Rhythmus. Neun Prozent der Frauen und vier Prozent der Männer gaben an, langfristig zu leiden – sie klagen über chronischen Schlafentzug. Und das satte sieben Monate lang, bis die Uhren – endlich – wieder umgestellt werden.

Die Folge für den Organismus ist keineswegs harmlos: Neurobiologen der Universität von Pennsylvania (USA) fanden in einer umfangreichen Testreihe heraus, dass bei einer erschreckend hohen Anzahl von Menschen der Gang ihrer „inneren Uhr“ durch die Sommerzeit in einen dazu nicht passenden äußeren Lebensrhythmus gezwängt wird. Wenn die biologische Uhr über einen längeren Zeitraum (wie bei der Sommerzeit) permanent verkehrte Signale zur Nachjustierung erhält, könne sich der menschliche Körper nicht daran gewöhnen. Er reagiert mit Schlafmangel, latenter Müdigkeit, Konzentrationsstörungen. Amerikanische Forscher warnen sogar vor der Gefahr einer schleichender Verdummung. Am stärksten leiden, biologisch bedingt, junge Leute und jüngere Erwachsene. Aber auch alte Menschen haben dem staatlich verordneten Rhythmuswechsel oft ihre Schwierigkeiten.

Die Argumente der modernen Neurobiologie überwiegen mittlerweile deutlich die (energie)politischen Argumente der auf Einigkeit bedachten Europapolitiker. Eine Abschaffung der Sommerzeit, so die Prognose der Schlafforscher weltweit, würde die meisten Menschen gesünder, schlauer und fitter machen. Überdies könnte Geld gespart werden, weil zum Beispiel öffentliche Uhren nicht umgestellt und Schicht-, Fahr- und Dienstpläne nicht angepasst werden müssen.

Immerhin sei die Umstellung im Herbst verträglicher als im Frühjahr, sagen Schlafmediziner. Und sie hat einen zweiten Vorteil: Sie verlängert das Wochenende um eine Stunde – die Uhren werden am Sonntag von 02.59 Uhr auf 02.00 Uhr zurückgestellt.