Juristen kaufen bei Barbour ein, Sozialpädagogen tragen nur Second Hand, Maschinenbauer haben nicht mal einen Ganzkörperspiegel. Die Klischees über Dresscodes an der Uni sind so vielfältig wie hartnäckig. Aber sind sie auch wahr?

Hannover. Sag mir, was du anhast, und ich sag dir, was du studierst: Funktioniert das noch? Und tat es das überhaupt je? Sicher ist: In zu vielen Studiengängen halten sich die Vorurteile über einen bestimmten Kleidungsstil hartnäckig. An manchen scheint tatsächlich etwas dran zu sein, wie Beobachtungen an der Leibniz-Universität Hannover zeigen. Genauso oft aber führen die Outfits auch auf eine falsche Fährte.

JURA/BWL

Klischee: Männer mit wahnsinnig viel Gel in den Haaren tragen Poloshirts mit hochgeklappten Kragen, darüber Steppjacken der britischen Luxusmarke Barbour und an den Füßen Segelschuhe. Die Frauen bilden das Pendant: Klassischer Pferdeschwanz, Perlenohrringe, Poloshirts in dezenten Farben. Die Bücher stecken in einer teuren Longchamp-Tasche – getragen am abgewinkelten Ellbogen.

Realität: Blonder Pferdeschwanz, Stiefel über der Hose, Perlenohrringe, Barbour-Jacke und Longchamp-Tasche – Jule Iburg sieht exakt so aus, wie man sich die klassische Jura-Studentin vorstellt. Dass sie damit einem Klischee entspricht, stört die 21-Jährige nicht: „Ich trage das, weil es mir gefällt und nicht weil ich zu irgendeiner Gruppierung gehören will“, sagt die angehende Juristin. Jewgeni Barstein, 26, dagegen sieht mit den langen Haaren und der Outdoor-Jacke eher wie ein Lehramtsstudent aus statt wie ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der juristischen Fakultät. „Bei uns gibt es wahrscheinlich mehr als bei anderen Studiengängen eine Tendenz zu schicken Klamotten.“ In Göttingen – der Jura-Hochburg unter den deutschen Unis – sei das aber stärker als in Hannover.

MASCHINENBAU/INGENIEURSWESEN

Klischee: „Karohemd und Samenstau – Ich studier Maschinenbau“ – was die Hipster unter den Maschinenbauern wahrscheinlich als Spruch auf einem T-Shirt tragen würden, tragen die Maschinenbauer unter den Maschinenbauern als Bürde. Und was haben sie an? Unauffällige Hosen, unauffällige Schuhe, vielleicht auch mal ein Karohemd – in jedem Fall muss es praktisch sein. Die Frauen? Tragen das gleiche – und niemals Make-Up.

Realität: Die Karohemden-Dichte an der Fakultät für Maschinenbau ist eher gering, die Frauen-Dichte aber auch. Werkstoffprüferin Bettina Niemeyer – in Jeans und T-Shirt – räumt aber immerhin mit einem Vorurteil auf: „Die drei Frauen, die wir haben, sehen nicht aus wie Männer“, sagt die 44-Jährige und lacht. Lukas Tatzig, 28, wiederum könnte mit seinem schicken Hemd, das in der passenden Hose steckt auch als BWLer durchgehen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen ist jedenfalls überzeugt, dass auch die Maschinenbauer mittlerweile besser gekleidet herumlaufen. „Es gibt aber schon noch ein paar Jungs, die immer noch zum Karohemd greifen.“

ARCHITEKTUR/DESIGN

Klischee: Menschen, die sich über ihr eigenes Erscheinungsbild mindestens genauso viele Gedanken machen wie über die Ästhetik der Dinge, die sie entwerfen. Es regieren skandinavische Marken, die keiner kennt, klare Frisuren vom Undercut bei den Männern bis zum Dutt bei den Frauen und – natürlich – Hornbrillen. Die neuesten Entwürfe schlummern in einem Mac, der wiederum in einem Jutebeutel durch die Gegend getragen wird.

Realität: Jutebeutel und Hornbrillen sind in Hannover aus der Fakultät für Architektur tatsächlich nicht wegzudenken. Die meisten wirken gestylt – wie der 21 Jahre alte Jallee Litche mit seiner engen Hose und dem Pullover, dessen Marke dezent kleingestickt auf der Brust zu sehen ist. Ihm sei Understatement wichtig, sagt der Architektur-Student. „Ich mag eher schlichte Sachen.“ Kommilitone Soonsik Yoo dagegen mag es bequem, besonders wenn er Modelle bauen muss. Er trägt gerne sportliche Sachen und könnte mit seinem Hoodie und den Turnschuhen auch Sportstudent sein. Bei Präsentationen ziehe er sich aber auch schicker an, sagt der 30-Jährige.

SOZIALES/PÄDAGOGIK

Klischee: Ehemalige Waldorfschüler wollen den Weltfrieden und haben daher wenig Zeit, sich mit Mode zu beschäftigen. Die Haare sind bei Mann und Frau lang, gerne auch geflochten oder als Rastamähne getragen. Die Kleidung ist lässig, immer ein bisschen schlabberig, das Hab und Gut wird in praktischen Rucksäcken oder bunten Stoffbeuteln getragen. Ganz wichtig: Sobald die Temperaturen über zehn Grad steigen, herrscht Sandalenpflicht.

Realität: Mit ihrer großen Goldkette, der engen Hose und der schwarzen Edel-Bomberjacke sieht Annika Echtermann eher wie eine Modedesign- als eine Sonderpädagogikstudentin aus. Mode sei ihr wichtig, sagt die 18-jährige Studienanfängerin. Dass manche Ökos unter ihren Mitstudenten möglicherweise Vorurteile wegen ihrer Outfits haben könnten, erwartet sie fast. „Wenn sie meine Art mögen, ist es ihnen aber auch egal, wenn meine Hose etwas enger ist“, meint sie. Ihre Freundin Neele Siemer wiederum achtet bei Mode vor allem darauf, dass sie bequem ist – und entspricht mit Turnschuhen, lässiger Jacke und buntem Rucksack schon eher dem Pädagogen-Bild. Unter ihren Mitstudenten seien aber nicht nur Hardcore-Sandalen-Ökos - „es gibt auch einige Styler“, betont die 19-Jährige.