In wohlhabenden Regionen gibt es mehr Operationen – ein Zeichen für überflüssige Eingriffe? Bertelsmann Stiftung untersucht Operationen für künstliche Kniegelenke und Arthroskopien.

Gütersloh/Hamburg. In den meisten wohlhabenden Regionen Deutschlands erhalten Patienten häufiger ein künstliches Kniegelenk als anderswo – mit einer großen Ausnahme: Hamburg. An Alster und Elbe liegt die Zahl der Knieoperationen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Und das, obwohl Hamburg eine Medizinmetropole ist und in den Kliniken viele Patienten aus dem Umland behandelt werden.

Dennoch kommen in Hamburg nur etwa 105 künstliche Kniegelenke auf 100.000 Einwohner. Im Bundesmittel sind es 129. Südlich von München, rund um die bayerischen Seen mit ihren vielen prominenten und vermögenden Bewohnern sind es über 170 oder 180, der Spitzenwert liegt bei 214.

Bei den Knie-Arthroskopien (Spiegelungen, meist zur Behandlung von Meniskus-Problemen) sind es 219 Operationen bezogen auf 100.000 Einwohner, im Bundesdurchschnitt sind es 337. Damit liegt Hamburg nicht so gut wie andere Regionen, zum Beispiel Stade mit 105.

Diese Zahlen wurden im Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht. Für die Untersuchung hatte die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC) anonymisierte Daten der AOK ausgewertet. So haben im bayerischen Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim 214 pro 100.000 Einwohner ein künstliches Kniegelenk erhalten. Der Anteil war damit rund dreimal so hoch wie im brandenburgischen Frankfurt (Oder), wo auf 100.000 Einwohner lediglich 73 Kniegelenkersatz-Operationen kommen.

Der Studie zufolge ist die Häufigkeit von Kniegelenksoperationen in Bayern, Hessen, Thüringen und Teilen Niedersachsens generell spürbar höher als in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Noch deutlicher unterscheidet sich die Häufigkeit von Folgeeingriffen am operierten Knie, etwa aufgrund erneuter Schmerzen oder für einen Prothesenwechsel. Diese Operationen kommen in manchen Landkreisen fünfmal öfter vor als in anderen.

Eine mit gesundheitlichen Fakten kaum erklärbare Schieflage gibt es auch entlang der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg: „In sämtlichen bayerischen Landkreisen direkt an der Grenze erhalten anteilig mehr Patienten künstliche Kniegelenke als in den baden-württembergischen Nachbarkreisen“, hieß es.

„In wohlhabenden Gegenden wird häufiger am Knie operiert, obwohl die Menschen in solchen Regionen tendenziell seltener an Arthrose leiden“, sagte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Stiftung. Es sei offensichtlich, dass nicht-medizinische Faktoren die Versorgung beeinflussen. Ärztliche Leitlinien könnten hier Abhilfe schaffen.