Der Transsexuelle wurde ursprünglich im Körper einer Frau geboren. Sein Junge ist schon fünf Monate alt

Berlin. Wann ist ein Mann ein Mann? Dass Stereotypen nicht immer weiterhelfen, zeigt eine außergewöhnliche Geburt in Neukölln. Dort hat ein Berliner Mann ein Kind zur Welt gebracht. Der als Frau geborene Transsexuelle hat sein Baby bereits am 11. April dieses Jahres mit Hilfe einer Hebamme zu Hause entbunden.

Der gebärende Vater gilt als sogenannter Transmann, ein Mensch, der zwar mit eindeutig weiblicher Anatomie geboren wurde, der sich aber als Mann versteht und empfindet sowie zudem auch als solcher im Personenstandsregister Berlins eingetragen sein soll. „Transsexuelle sind Menschen, die offiziell einem Geschlecht als Mann oder Frau zugewiesen sind, sich selbst aber außerhalb dieser Geschlechterzuweisung verorten“, definiert Biologe und Geschlechterforscher Heinz-Jürgen Voß, den komplexen Sachverhalt.

Der formal als Mann eingetragene Berliner soll sich bewusst für eine Hausgeburt entschieden haben, weil er trotz Schwangerschaft und Gebären des Kindes als Vater des Neugeborenen geführt werden möchte. Dies wäre im Fall der Geburt in einer Klinik nicht möglich gewesen, da Krankenhäuser grundsätzlich dazu verpflichtet sind, den Namen der Mutter anzugeben. Da der Gebärende formal als Mann geführt wird, wurde das Baby seiner Ansicht nach von ihm als Vater und nicht als Mutter zur Welt gebracht. Ein Vater, der allerdings trotz Änderung der Formalien Gebärmutter und Eierstöcke behalten haben muss, um überhaupt schwanger werden zu können.

Ob der Transsexuelle endgültig formal als Vater oder als Mutter in das Geburtenbuch des Standesamtes eingetragen wird, soll das Amtsgericht Schöneberg klären. Unstrittig ist bislang, dass der gebärende Vater des unterdessen schon fünf Monate alte Jungen durch eine künstliche Befruchtung schwanger wurde.

Bei als Frau geborenen Transsexuellen – wie dem gebärenden Vater – bestehen mögliche operative Maßnahmen meist aus einer Brustentfernung, dem Entfernen von Gebärmutter und Eierstöcken sowie dem Aufbau eines für den Geschlechtsverkehr geeigneten künstlichen Penis. Die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken wird wegen des steigenden Risikos von Krebs durch die Zufuhr männlicher Hormone an diesen Organen nur teilweise empfohlen. Die Bildung von Hoden und damit das Erlangen einer Zeugungsfähigkeit sind nicht möglich. Der Aufbau eines männlichen Gliedes ist bezüglich Aussehen, Funktion und Größe inzwischen auf hohem Standard. Die Kosten für die Geschlechtsangleichung müssen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, was in der Praxis jedoch oft Schwierigkeiten bereitet.

Die geschlechtsangleichende Operation und Fortpflanzungsunfähigkeit galt jahrelang als zwingende Voraussetzung für eine formale Änderung des geschlechtlichen Personenstands. Doch mit einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2011 wurden diese bislang geltenden rechtlichen Bedingungen als verfassungswidrig erklärt. Sowohl für die Änderung des Vornamens als auch für die Änderung des Geschlechtseintrages im Geburtenregister müssen Transsexuelle nach wie vor jeweils zwei Gutachten vorlegen. Diese müssen laut Transsexuellengesetz belegen, dass die Betroffene „sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben und mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird“.

Neben den Operationen sind auch eine Hormontherapie beispielsweise durch Testosteron für „Transmänner“ oft wichtiger Teil der Geschlechtsangleichung. Bereits vor fünf Jahren hatte die Schwangerschaft des Transsexuellen Thomas Beatie für Schlagzeilen gesorgt. Der Amerikaner, der als Frau geboren wurde, war 2008 offiziell der weltweit erste Mann, der ein Baby zur Welt brachte. Er hatte keine Brüste mehr, verfügte damals aber noch über Gebärmutter und Eierstöcke, die er mittlerweile entfernen ließ.

„Dass Transpersonen Kinder bekommen, ist nicht problematisch“, sagt Biologe Voß. Er sieht die Schwierigkeit viel mehr darin, „dass in vielen Bereichen ständig eine geschlechtliche Zuordnung verlangt wird. Diese Zuordnung ist das Problem, warum reicht nicht die Angabe des Namens?“