Das Chaos in Mainz peppt den Bundestagswahlkampf auf. Der Schuldige ist ausgemacht: Peter Ramsauer. Die Lage ist bundesweit so ernst, dass Bahnchef Grube seinen Urlaub abbrach.

Berlin/Hamburg. Jetzt versteht plötzlich auch die Politik nur noch Bahnhof. Der Bundestagswahlkampf hat sich in die Niederungen der regionalen Verkehrspolitik verirrt. Das Chaos um den Mainzer Hauptbahnhof und das mutmaßliche Versagen der Deutschen Bahn ist zum Streitpunkt zwischen Landesministern und der Bundesregierung geworden. Denn die Bahn ist nach dem gescheiterten Börsengang noch immer im Besitz des Bundes.

So hat der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) der Bundesregierung Versagen vorgeworfen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) habe zu spät auf die Situation reagiert, so Lewentz in der ARD. „Man hätte viel früher reagieren müssen. Das ist ein absolutes Versagen der Bundesregierung.“ Der Bund müsse das regeln. Am Mainzer Hauptbahnhof werden wegen Personalmangels im Stellwerk jetzt auch ganztägig Züge umgeleitet. Bereits zuvor war abends und nachts der Regional- und Fernverkehr stark ausgedünnt worden. Wegen unerwartet vieler Krankmeldungen während der Urlaubszeit fehlen dort Fahrdienstleiter.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte wegen der Probleme eine grundsätzlich neue Struktur der Deutschen Bahn. Überlegenswert sei ein Börsengang der AG, deren einziger Anteilseigner der Bund sei, sagte Brüderle der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Die Bahn-Struktur mit ihrer staatlichen Absicherung müsse grundlegend unter die Lupe genommen werden, sagte Brüderle. Ein freies Unternehmen im Wettbewerb könne sich so etwas nicht leisten. Unter dem früheren Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hatte die Firma jahrelang einen Börsengang im Visier gehabt. Brüderle sprach von einer „internationalen Blamage“: „Hier wird eine ganze Region in Geiselhaft genommen.“

Im Zuge der jahrelangen Sanierung hat die Bahn sich einen Sparkurs verordnet. Über Jahre wurden gerade in der Netz-Sparte jährlich Tausende Stellen abgebaut. Zugleich wurden allerdings die Stellwerke wegen verzögerter Investitionen im Zuge des geplanten Börsengangs 2008 langsamer als zunächst vorgesehen durch moderne vollelektronische ersetzt, was zu einer Personalentlastung geführt hätte.

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, ist Missmanagement die Ursache für das Bahn-Chaos. Der Grünen-Politiker forderte eine völlig neue Struktur des Konzerns. „Das Grundproblem sind die harten Rendite-Vorgaben und insgesamt die Steuerung der Bahn“, sagte er in der ARD. „Aber am Ende ist es dann Management-Versagen.“ Kurzfristige Änderungen hält Hofreiter für kaum möglich, obwohl Ramsauer die Rendite-Vorgaben gelockert habe. „An der Grundausrichtung der Bahn ist überhaupt nichts geändert worden, nämlich dass die Bahn als großer internationaler Logistik-Konzern vom Schienenverkehr in Mainz bis zur Weinlogistik in Australien in 140 Ländern dieses Planeten tätig ist.“

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisierte die Personalpolitik der Deutschen Bahn. „Hier wurde offenbar falsch gespart. Das rächt sich jetzt“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Die Bahn-Mitarbeiter zu bestrafen und aus dem Urlaub zurückzuholen sei der falsche Weg. „Die Fahrdienstleiter brauchen auch ihre Erholung, sonst betreibt man Raubbau an ihnen. Sie sind nicht für diese Fehlplanung verantwortlich“, sagte Steinbrück. Bundesverkehrsminister Ramsauer tue allerdings so, als gehe ihn das als Eigentümer der Bahn alles nichts an.

Der Bahnvorstand für Infrastruktur, Volker Kefer, kündigte in der ARD-Sendung „Brennpunkt“ an, die Deutsche Bahn wolle die Zahl ihrer Fahrdienstleiter erhöhen. Zudem sei geplant, eine mobile Reserve aufzubauen. Dabei sollen Fahrdienstleiter zusätzlich für weitere Bahnhöfe in der Umgebung geschult werden, um dort im Notfall einspringen zu können.

Der Bahnvorstand könne den Personalmangel in Mainz nicht länger als örtliches Problem betrachten, sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Alexander Kirchner. Die Bahn müsse akzeptieren, „dass es hier über Mainz hinaus Handlungsbedarf gibt“.

Wegen der massiven Probleme am Hauptbahnhof kommen an diesem Dienstag Vertreter von Bahn, Gewerkschaft und Politik zu einem Gespräch in Mainz zusammen. Es wird auch eine Erklärung der Bahntochter DB Netz erwartet, ob und wann sich die Personallage bei den Fahrdienstleitern entspannt.

Bahnchef Rüdiger Grube brach seinen Urlaub wegen der Probleme in Mainz ab. Er will am Mittwoch in Frankfurt an einem weiteren Spitzengespräch mit Personalmanagern der Bahn und der EVG-Führung teilnehmen.