Das Brautpaar hat sich gerade das „Ja“-Wort gegeben, als Pfarrerin Kate Bottley plötzlich anfängt, ihre Hüften zu lauter Disco-Musik zu kreisen. Die Aktion ist ein Hit auf YouTube, gefällt aber nicht jedem.

London. Alles sieht aus wie eine ganz normale Hochzeitszeremonie. Doch kaum ist der formelle Teil vorbei, gleich nachdem das Brautpaar sich geküsst hat, hört man plötzlich „Everybody dance now!“ durch die kleine Kirche schallen. Und die Pfarrerin, die gerade noch das Brautpaar aufgefordert hatte, sich zu küssen, wirft die Hände in die Luft und fängt an zu tanzen. Dann tanzt auch das Brautpaar, und immer mehr Hochzeitsgäste machen mit. Was aussieht wie ein Werbespot, ist das Video einer richtigen Hochzeit, das auf YouTube inzwischen mehr als 100.000 Mal aufgerufen wurde.

Die tanzende Pfarrerin ist Kate Bottley aus der Gemeinde Blyth in Nordengland. In dem kleinen Örtchen östlich von Sheffield geht es sonst eher beschaulich zu, aber nun hat es der Ort dank seiner anglikanischen Pfarrerin landesweit in die Medien geschafft. „Ich weiß, dass tanzende Geistliche nicht so weit verbreitet sind“, sagt Kate Bottley schmunzelnd. Die Idee zu dieser „Flashmob“-artigen Hochzeit sei ihr gemeinsam mit dem Hochzeitspaar gekommen. „Gary und Tracy wollten eine besondere Hochzeitsfeier haben und irgendwann fiel mir die Idee mit dem Flashmob ein.“

Das Brautpaar fand die Idee so gut, dass sie eine Choreographin engagierten und den Tanz mit 28 Gästen als Überraschung für die anderen einstudierten. „Wir haben acht Wochen lang geprobt“, sagt Tracy, die gerade mit ihrem Mann auf den Seychellen in den Flitterwochen ist. „Wir haben das Video auf YouTube hochgeladen, damit die Gäste es ansehen können, aber wir haben niemals damit gerechnet, dass sich dafür Tausende andere interessieren“, sagt sie. „Ich habe nie im Traum daran gedacht, dass ich während meiner Flitterwochen am Telefon sitze und Interviews gebe, aber das ist toll.“

Da die Proben immer am Sonntagnachmittag waren, wenn Kate Bottley arbeiten musste, konnte sie nur selten teilnehmen, erzählt die 38-jährige Pfarrerin. „Aber ich habe ein Video mit den Bewegungen bekommen und ständig geübt. Meine beiden Kinder können die Musik schon nicht mehr hören, und meine elfjährige Tochter findet mich auch ein bisschen peinlich - aber das ist schon okay.“

Aktion findet auch Kritiker

Mit den steigenden Zugriffszahlen auf YouTube mehren sich aber auch einzelne kritische Kommentare. Ob das denn der Kirche von England würdig sei, bezweifelt jemand. Ein anderer nimmt das Video zum Anlass, die Priesterweihe von Frauen in Frage zu stellen. Andere vermuten, die zwei älteren Damen, die während des Tanzes rausgehen, hätten die Kirche aus Protest verlassen. „Aber das stimmt nicht“, stellt Kate Bottley klar. „Tante Betty hat einfach nur eine kleine Blase.“

Die britische Presse hingegen ist begeistert. Der Autor eines Kommentars im „Guardian“ hält das Video sogar für einen Beweis dafür, dass es noch Hoffnung für die Kirche von England gibt. Nach Grabenkriegen zu Fragen rund um Homosexualität und einer gescheiterten Gesetzesinitiative, die Frauen den Weg zum Bischofsamt frei machen sollte, sind gute Nachrichten rund um die anglikanische Kirche derzeit rar gesät. Auch der „Independent“ findet, der Pfarrerin sei etwas Großartiges gelungen: „Plötzlich wurde der ganze Raum angesteckt etwas gemeinsam zu machen.“

Auch die Kirche freut sich über ihre tanzbegeisterte Pfarrerin. „Heute morgen hat mich sofort der Bischof angerufen und mich gelobt“, freut sich Kate Bottley, die erst seit fünf Jahren Pfarrerin ist. „Und dann habe ich mir die Presseübersicht der Kirche angesehen: Da stand erst etwas für die Reise des Erzbischofs, dann über Nelson Mandela und dann etwas über mich“, freut sie sich. „Es ist toll, auf diese Weise positive Nachrichten zu verbreiten“, sagt sie.

Hochzeitsgäste und Brautpaar seien vorher überhaupt keine Kirchgänger gewesen, wollen jetzt aber regelmäßig in ihren Gottesdienst kommen, berichtet Bottley. „Für mich ist es okay, mich ein bisschen lächerlich zu machen, wenn Menschen sich darüber freuen und so ein positives Bild von der Kirche bekommen“, fügt die Theologin hinzu. „Außerdem bin ich in guter Gesellschaft: Jesus mochte auch gute Partys.“