Der Doppelmord an Ingrid Visser und deren Lebensgefährten gibt der Polizei in Spanien Rätsel auf. Die Ermittler vermuten den Schlüssel in Geschäften, die die Ex-Volleyballspielerin und ihr Partner betrieben.

Madrid. Warum sind Ingrid Visser und ihr Lebensgefährte in das Auto gestiegen, das die beiden Niederländer zu ihren Mördern brachte? Diese Frage stellen sich die Ermittler und die Angehörigen der Volleyball-Rekordnationalspielerin. Eigentlich war die 35-Jährige nach Murcia in Südostspanien gereist, um sich in der Stadt, in der sie drei Jahre lang gespielt hatte, in einer Klinik für künstliche Befruchtung untersuchen zu lassen. Dies jedenfalls hatte Visser ihren Angehörigen gesagt.

Aber dann ließ die Ex-Volleyballspielerin sich mit ihrem Partner, dem 57-jährigen Geschäftsmann Lodewijk Severein, in ein Landhaus chauffieren. Das Paar sollte das einsam gelegene Gebäude nicht mehr lebend verlassen. Die Niederländer trafen nach Erkenntnissen der Ermittler dort auf den Spanier Juan Cuenca, der Vissers Ex-Verein CAV Murcia als Geschäftsführer gemanagt hatte, und auf zwei Rumänen. Visser und ihr Partner wurden gefoltert und ermordet. Ihre Leichen wurden spanischen Medienberichten zufolge zerstückelt, in einen mehr als 30 Kilometer entfernten Zitronenhain gebracht und dort verscharrt.

Die Polizei geht davon aus, dass die 47 und 60 Jahre alten Rumänen, die am Montag festgenommen wurden, als Auftragskiller angeheuert worden waren und den Doppelmord begingen. In dieser Annahme scheinen die Ermittler sich ziemlich sicher zu sein. Aber die Hintergründe des Verbrechens bleiben mysteriös. Unklar ist, weshalb die Täter so grausam und brutal zu Werke gingen.

Um zwei andere Fragen ranken sich viele Spekulationen: Wer gab den Auftrag zu dem Doppelmord? Und was war das Motiv? Die Justiz erklärte die Ermittlungen für vertraulich, gab keinerlei Informationen heraus und heizte damit die Gerüchteküche an. Die Polizei beschränkte sich auf vage Andeutungen. „Geschäftliche Differenzen“ hätten das Verbrechen ausgelöst, sagte Murcias Polizeichef Cirilo Durán. Mit dem Sport hätten diese Geschäfte nichts zu tun gehabt.

Dabei könnte – nach Vermutungen der Lokalpresse – ein Steinbruch eine Rolle zu spielen, in dem Marmor gewonnen wird. Dieser Steinbruch gehört dem Unternehmer Evedasto Lifante, der früher der Besitzer und Hauptsponsor des mittlerweile aufgelösten Volleyball-Clubs CAV Murcia war. Der Marmor-Steinbruch, so wird spekuliert, könnte den Niederländern in einem undurchsichtigen Geschäft zum Verkauf angeboten worden sein.

Die in Murcia erscheinende Zeitung „La Verdad“ will erfahren haben, dass der Ex-Clubmanager Cuenca bei seinen Vernehmungen versucht haben soll, die Verantwortung für das Verbrechen Lifante zuzuschieben. Der frühere Clubchef berief daraufhin am Mittwoch eine improvisierte Pressekonferenz ein. Er bestritt, irgendetwas mit dem Doppelmord zu tun gehabt zu haben, und drohte Cuenca mit einer Verleumdungsklage. Er habe sich von dem Ex-Manager 2011 im Streit getrennt und seither nicht mehr mit ihm gesprochen.

Der Unternehmer sagte, er habe Cuenca im vorigen Jahr angezeigt, weil dieser versucht habe, seinen Steinbruch mit gefälschten Papieren zu verkaufen. Der niederländischen Zeitung „Algemeen Dagblad“ berichtete er, dass er um sein Leben fürchte. „Die beiden Rumänen sind natürlich nicht allein. Dahinter muss mehr stecken, eine größere Organisation.“ Auch die Polizei schloss nicht aus, dass noch weitere Verdächtige festgenommen werden. Gegen Cuenca wurde Haftbefehl erlassen. Die mutmaßlichen Auftragskiller wurden am Mittwoch noch von der Polizei verhört.