Ein Paar aus Boppard in Rheinland-Pfalz beherbergte 1985 Jorge Mario Bergoglio für zwei Monate

Boppard. Helma Schmidt zeigt auf einen Stuhl am Kopf des Esstisches. Dahinter gibt ein großes Fenster den Blick frei auf das malerische Rheintal. "Hier hat er oft gesessen", sagt die 95-Jährige. Mit "er" meint sie Papst Franziskus oder besser Jorge Mario Bergoglio, wie er damals noch hieß. Der mittlerweile weltbekannte 76-jährige Argentinier wohnte im Jahr 1985 für zwei Monate in einem Zimmer im Haus der Schmidts zur Untermiete, während er vor seinem Studienaufenthalt in Frankfurt im damaligen Bopparder Goethe-Institut Deutsch lernte.

Helma Schmidt erinnert sich noch sehr gut an den damals 48 Jahre alten Gast aus Argentinien. "Er war sehr bescheiden, sehr normal", sagt sie. "Er hat wohl nie angenommen, dass er mal Papst wird." In den zwei Monaten seines Aufenthalts hätten sie mit ihm über Gott und die Welt geredet. "Sonst wäre es auch nie ein so nettes Verhältnis geworden." Bergoglio habe in ihre Hausgemeinschaft gepasst. "Er war einfach und schlicht - so wie es bei uns zugeht."

Dort, wo Franziskus einst mit den Schmidts speiste und wohnte, herrscht auch heute noch eine bürgerliche Gemütlichkeit. Dicke Teppiche auf Parkett, auf einem Fensterbrett ein paar Pflanzen, ein Hund und zwei Tauben aus Porzellan, daneben eine Standuhr. Das Haus, das sich die Schmidts gebaut haben, liegt etwas oberhalb des Bopparder Zentrums in der engen Peter-Josef-Kreuzberg-Straße, benannt nach einem Heimatforscher - ein scharfer Kontrast zum Prunk des Petersdoms.

Von der Übertragung der Amtseinführung von Papst Franziskus im fernen Rom vor wenigen Tagen hat Helma Schmidt keine Sekunde verpasst. Während sie das erzählt, holt sie einen Stoß an Briefen hervor. Jahrelang schrieben sich die Schmidts und Bergoglio an Ostern, Weihnachten und manchmal auch zwischendurch. Zusammengekommen ist ein stattlicher Stapel an Luftpostumschlägen. "Via Aerea" (spanisch: Luftpost) steht darauf geschrieben, der Absender namens Bergoglio wird als "Arzobispo" - Erzbischof - ausgewiesen. Die Briefe sind fein säuberlich mit Tinte geschrieben - auf Deutsch. "Das hat er immer so gemacht", sagt Helma Schmidt. Bergoglio schrieb etwa, dass er für die Schmidts bete. 1992 informierte er das Paar, dass er Weihbischof von Buenos Aires geworden war.

In einem Brief von 2007 betonte er, dass er sich oft an seine Tage in Boppard erinnere. Er habe "schöne Tage im gemütlichen Haus" der Schmidts verbracht, schrieb Bergoglio darin, um sich dann für seinen schlechten Schreibstil zu entschuldigen. Ohne Übung habe er seine "Deutschsprachfähigkeit verlernt", schrieb der heutige Papst. "Er ging immer betend durch unseren Garten", sagt Schmidt. Außerdem habe der heutige Papst ihrem Mann häufig beim Klavierspielen zugehört. "Er hat selten alleine in seinem Zimmer gesessen."

Immer wieder versicherte Bergoglio in den Briefen, dass er für seine Gasteltern, deren Kinder und Enkel bete und sie bitte, das auch für ihn zu tun. Seiner Sprachlehrerin von damals fiel Bergoglio "als echter Luther-Experte" auf. Dass er Theologe gewesen sei, habe er aber geschickt verborgen und sich als Philosophiestudent ausgegeben.

Schmidt und ihr zehn Jahre jüngerer Mann wollen den Briefwechsel nun wieder aufnehmen. "Ich habe seine Adresse bekommen", sagt sie. Schriftlich will sie ihm zur Papstwahl gratulieren. Der argentinische Gast von damals war etwas ganz Besonderes - auch wenn die Schmidts über die Jahre viele ausländische Schüler des Goethe-Instituts beherbergten.

Ein zukünftiger Papst war eben nur einmal darunter. "Wir sind sehr stolz", sagt Helma Schmidt.