Als falscher “Rockefeller“ soll der bayerischer Hochstapler Christian Karl Gerhartsreiter 1985 in Kalifornien zwei Menschen getötet haben.

Los Angeles. Der Mord liegt 28 Jahre zurück. Es gibt keine Waffe, keine Blut- oder DNA-Spuren, die den Täter überführen könnten. Doch die Staatsanwaltschaft in Los Angeles ist fest davon überzeugt, dass der 52-jährige Christian Karl Gerhartsreiter der Mörder von John Sohus ist. Die Leiche des 1985 verschwundenen Kaliforniers war neun Jahre später zufällig bei Bauarbeiten für einen Swimmingpool im Garten eines Hauses in San Marino (bei Los Angeles) gefunden worden.

Am Montag hat nun der Prozess gegen den gebürtigen Bayern, der jahrelang als falscher "Rockefeller" Schlagzeilen machte, in Los Angeles mit der Auswahl der Geschworenen begonnen. Die Anklage will in dem Fall, der einem bizarren Hollywooddrama in nichts nachstehen dürfte, Dutzende Zeugen aufrufen, die Gerhartsreiter aus den 1980er-Jahren kennen, als sich der deutsche Hochstapler Christopher Chichester nannte.

Er war 1978 als Schüler in die Vereinigten Staaten gekommen. Unter dem Namen Chichester wollte er eine Hollywood-Karriere starten. Als Christopher Crowe gab er sich als Börsenmakler aus. Über Jahrzehnte hinweg narrte er Bekannte und auch zwei Ehefrauen mit falschen Identitäten und schillernden Geschichten von großen Erbschaften und reichen Verwandten. All das kam 2008 nach einem dramatischen Sorgerechtsstreits ans Licht, als "Clark Rockefeller" in Boston seine damals siebenjährige Tochter entführte. Er war in zweiter Ehe mit einer wohlhabenden Unternehmensberaterin verheiratet. Bei der Scheidung verlor der Deutsche das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter.

Das Gericht brummte Gerhartsreiter 2009 vier Jahre Haft auf. Seine Anwälte hatten auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert. Sie stellten ihren Mandanten damals als einen psychisch schwer gestörten Mann dar, "der nicht rundläuft". Der spektakuläre Prozess im US-Staat Massachusetts gegen den unscheinbar wirkenden Brillenträger mit schütterem Haar ließ die Behörden in Kalifornien aufhorchen. Dort gab es einen ungeklärten Mordfall. Gerhartsreiters Pseudonym Christopher Chichester alarmierte die Fahnder.

Denn ein Mann mit diesem Namen hatte 1985 in San Marino als Untermieter im Gästehaus von Linda und John Sohus gelebt. Das junge Ehepaar verschwand spurlos, wenig später tauchte Chichester unter. 1994 wurden im Garten des Hauses menschliche Knochen gefunden. Doch erst Jahre später konnten sie dank neuer DNA-Tests identifiziert werden. Es handelte sich um die Leiche von John Sohus, von seiner Frau Linda fehlt weiterhin jede Spur.

Im März 2011 wurde Gerhartsreiter wegen Mordes angeklagt, er plädierte auf "nicht schuldig". Seine Anwälte haben wiederholt darauf verwiesen, dass die Vorwürfe nur auf Indizien beruhen. Es wird erwartet, dass sie die verschwundene Ehefrau des Mordopfers als mögliche Täterin darstellen. Das Verfahren könnte vier bis sechs Wochen dauern, zitierte die Zeitung "Pasadena Star-News" eine Gerichtssprecherin. Wird sich Gerhartsreiter weiter als "Rockefeller" ausgeben? Ist er ein krankhafter Hochstapler oder ein kaltblütiger Mörder? Der hollywoodreife Fall lässt einen spannenden Prozess erwarten.

Und den wird man auch in Gerhartsreiters Heimat, der kleinen oberbayerischen Gemeinde Bergen bei Traunstein, gespannt verfolgen. Für die alt eingesessenen Bergener besteht kein Zweifel, dass jener "Clark Rockefeller" alias Christopher Chichester jener Christian ist, der 1978 aus dem Chiemgau verschwand.

Über das, was sie seit dessen Enttarnung im Jahr 2008 über ihren einstigen Nachbarn hören, reiben sich viele die Augen. "Das kann doch gar nicht sein, was der sich in Amerika alles geliefert hat. Wie kann man es nur schaffen, alle so lange irrezuführen", sagt Rentner Norbert Thönnes und schüttelt den Kopf. Helga Hallweger, eine Nachbarin der Familie von Gerhartsreiter, ergänzt: "Das wird die in Amerika schon gewaltig ärgern, dass ein Ausländer sie so lange an der Nase herumgeführt hat." Das allein sei ja nicht so schlimm, "wenn er nur bei der Betrügerei geblieben wäre. Aber wenn er das, was ihm jetzt angekreidet wird, tatsächlich gemacht hat, dann wäre das wirklich schlimm."

Die Bergener lassen aber auf die nach wie vor im Ort lebenden Angehörigen nichts kommen. "Die können doch nichts dafür, wenn der so was in Amerika macht", sagt Maria Thönnes, eine frühere Schulfreundin der Mutter. Ein älterer Mann auf dem Dorffriedhof, der nicht namentlich genannt werden möchte, erzählt, dass er mit dem vor zehn Jahren gestorbenen Vater von Christian Gerhartsreiter befreundet war: "Der war ein anständiger Kerl. Ich bin froh, dass der das alles nicht mehr mitbekommen hat."