Am Montag beraten die Verbraucherminister von Bund und Ländern über Nationalen Aktionsplan. Politische Konsequenzen sollen gezogen werden.

Berlin. Als Folge des Pferdefleisch-Skandals will Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) die Kennzeichnung von Lebensmitteln erweitern. Ihr Ministerium legte am Sonntag einen Entwurf zu einem Nationalen Aktionsplan mit sieben Punkten vor. Dabei geht es unter anderem darum, bei Fleischgerichten die Herkunft der Zutaten aufzuführen. Am Montag wollen Bund und Länder in Berlin über die Konsequenzen aus dem europaweiten Skandal um falsch etikettiertes Pferdefleisch in Produkten wie Lasagne und Moussaka beraten. Viele Supermärkte und Discounter haben in den vergangenen Wochen verdächtige fleischhaltige Fertiggerichte aus den Regalen genommen.

Aigners Entwurf für den Aktionsplan soll als Grundlage für die Gespräche von Bund und Ländern dienen. „Ziel muss es sein, möglichst noch in diesem Jahr über Eckpunkte einer Herkunftskennzeichnung zu beraten, die EU-weit eingeführt wird und verbindlich für alle Unternehmen im gemeinsamen Binnenmarkt gilt“, heißt es in dem Entwurf. Bislang müsse die Herkunft der Zutaten auf verarbeiteten Lebensmitteln nicht angegeben werden. Bei Herkunftskennzeichnungen geht es zum Beispiel um das Land, die Region oder die Zulassungsnummer des Betriebes, von dem das Fleisch stammt.

Ergänzend zu einem Aktionsplan der Europäischen Union (EU) wolle Deutschland weitere Proben von Fleischprodukten analysieren. Vertreter der EU-Staaten hatten sich am Freitag darauf geeinigt, bei der Fahndung nach falsch deklariertem Pferdefleisch auf Gentests zu setzen. Nach Angaben des RTL-Magazin „EXTRA“ wurde Pferdefleisch auch in einem Döner einer Imbissbude entdeckt. Viele andere frühere Funde wurden in fertigen Hack-Produkten gemacht.

Nach Darstellung des „Spiegels“ könnte die jetzt geforderte Kennzeichnung für verarbeitete Produkte bereits existieren, hätte es nicht Widerstand auch der deutschen Politik dagegen gegeben. Nach der im November 2011 veröffentlichten europäischen Lebensmittelinformationsverordnung soll nicht nur bei Rindfleisch die Herkunftsangabe verpflichtend sein, sondern ab Dezember 2014 auch für Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch. Die Regelung gilt bislang für Rohfleisch vom Rind – aber nicht, wenn das Fleisch nur eine von vielen Zutaten ist. Dies ist bei Fertiggerichten der Fall.

Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) setzt ebenfalls auf eine Herkunftsangabe für verarbeitete Produkte. „Hierzu muss es auf europäischer Ebene einen klaren Vorstoß geben“, sagte Remmel am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. Die Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel müsse verbessert werden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, kritisierte die Bundesministerin: „Die Empörung von Ilse Aigner ist unehrlich. In Wirklichkeit ist Ilse Aigner nicht bereit, die Voraussetzungen für eine Information der Verbraucher zu schaffen. Es ist ein Skandal, dass die Behörden die Verbraucher nicht informieren dürfen, in welchen Produkten welcher Hersteller Pferdefleisch gefunden wurde.“ Das Verbraucherinformationsgesetz müsse sofort geändert werden.

Auch die Vorsitzende der Länder-Verbraucherministerkonferenz, Lucia Puttrich (CDU), hält es für ratsam, dass Übeltäter öffentlich gemacht werden. „Die Prangerwirkung halte ich an der Stelle für notwendig“, sagte sie. Nach jetzigem Recht sei die Veröffentlichung eines täuschenden Unternehmens nicht möglich. Zudem forderte sie härtere Strafen. Bei falsch gekennzeichneten Fertigprodukten drohen bisher eine Geldstrafe – bei Fahrlässigkeit bis zu 50 000 Euro – oder bis zu ein Jahr Haft.

Von den Fertiggerichten mit Pferdefleisch aus Luxemburg sind nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ knapp 144 Tonnen nach Deutschland gelangt. Das gehe aus einer internen Liste der Europäischen Kommission hervor. Laut „Spiegel“ haben von den insgesamt 1596 Tonnen luxemburgischer Fertiggerichte zwischen November 2012 und Januar 2013 knapp zehn Prozent den Weg nach Deutschland gefunden.

Kontrolleure hätten entdeckt, dass für bis zu 2,8 Millionen Packungen Lasagne, Cannelloni oder Moussaka des Herstellers Tavola nicht nur wie angegeben Rinder, sondern auch Pferde verarbeitet worden seien. Das Bundesverbraucherministerium bestätigte diese Zahlen am Sonntag nicht. Die Firma Tavola in Luxemburg produzierte im Auftrag der französischen Firma Comigel.

Zum Schutz von Verbrauchern will Frankreich rasch eine freiwillige Kennzeichnung von Fleisch erreichen, wie Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll der Zeitung „20 Minutes“ sagte. Das französische Unternehmen Spanghero soll für falsch deklarierte Lieferungen verantwortlich sein – weist die Vorwürfe jedoch zurück. Ermittlungen zufolge hat Spanghero wissentlich solches Fleisch etwa an den Hersteller Comigel verkauft. Insgesamt soll Comigel 4,5 Millionen Fertiggerichte mit falsch deklariertem Fleisch von Spanghero hergestellt haben. Diese sollen an mindestens 28 Unternehmen in 13 europäischen Ländern verkauft worden sein.

Insgesamt kommt bei dem Betrug nur schrittweise Licht in das Netz aus Produzenten, Lieferanten und Händlern. Kontrolleure suchen weiter in Deutschland und anderen Ländern nach verdächtigen Lebensmitteln.

Der Pferdefleisch-Skandal hatte vor etwa einem Monat in Großbritannien und Irland Fahrt aufgenommen, als Spuren von Pferdefleisch in Hamburgern in Supermärkten gefunden wurden. Später zeigten Tests, dass Rindfleisch-Lasagne bis zu 100 Prozent Pferdefleisch enthielt.